: Fördern und fordern im Knast
Ärger um den Entwurf für ein niedersächsisches Strafvollzugsgesetz: „Unsere Befürchtungen sind Realität geworden“, heißt es bei der Opposition. Hochgefährliche Täter blieben künftig unbehandelt
VON ELKE SPANNER
Die niedersächsische Landesregierung war zwar am schnellsten – Vorbild für die anderen Länder sollte das Strafvollzugsgesetz, das die schwarz-gelbe Koalition nun vorlegte, nach Ansicht der Opposition aber keinesfalls sein. „Unsere Befürchtungen sind Realität geworden“, sagte die rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Heike Bockmann. Auch der grüne Justizexperte Ralf Briese wünscht sich in die Zeit vor der Föderalismusreform 2006 zurück, in der die Regeln hinter Gittern noch nicht von den Ländern selbst geschrieben werden durften. „Dieser Entwurf bleibt in seinem Geist weit hinter dem derzeitigen Bundesgesetz zurück“, sagte Briese. „Es ist ein Bruch in der gesamten Vollzugspolitik.“
CDU und FDP haben sich darauf verständigt, die Haftbedingungen in den derzeit 14 niedersächsischen Gefängnissen zu verändern (taz berichtete). So sollen etwa Fesselungen beim Transport von Gefangenen erleichtert werden. Haftlockerungen wie Freigänge sollen vom Nachweis der Drogenfreiheit durch Urinproben abhängig gemacht werden. Die Mehrfachbelegung von Zellen soll möglich sein, wenn es in der Anstalt Engpässe gibt. Mit einem Kompromiss endete der Zwist über Neuregelungen zur Untersuchungshaft. CDU-Justizministerin Elisabeth Heister-Neumann wollte künftig die Anstalten selber über Vorkehrungen bei Fluchtgefahr eines Insassen entscheiden lassen. Die FDP wollte, dass dafür nach wie vor Haftrichter zuständig sind. Die Einigung sieht so aus, dass die Richter das Recht bekommen, darüber zu entscheiden, ob sie entscheiden wollen – oder Fragen wie die Fesselung eines Gefangenen auf dem Weg zum Gericht lieber den Anstalten überlassen.
Die Grünen im Landtag bemängeln, dass das Gesetz „den Ungeist der preußischen Gehorsamspädagogik atmet“. Kritisch sieht die Opposition vor allem, was die Regierung als „Chancenvollzug“ begrifflich positiv in Szene setzt: Nur Häftlinge, die bereit sind, aktiv am Vollzugsziel mit zuarbeiten, dürfen an besonderen Förderangeboten und Therapien teilnehmen – fördern und fordern hinter Gittern. Es sei „sicher richtig, dass sich diejenigen, die sich zur Mitarbeit entschieden haben, die Resozialisierung auch erarbeiten dürfen“, sagt der rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Bockmann. „Doch was macht man mit denen, die übrig bleiben?“ Denn gerade die besonders schwierigen Insassen, die viel Ansprache und Therapie benötigen, bleiben nach den Plänen der Regierung im Knast unbehandelt. Doch auch die werden nach Verbüßung ihrer Haftzeit in Freiheit entlassen. „Die kommen hochgradig gefährlich wieder aus dem Knast raus“, warnt der Grüne Abgeordnete Briese. Bockmann ergänzt: „Resozialisierung ist auch die Vermeidung weiterer Kriminalität nach der Haft.“
SPD und Grüne hätten sich gewünscht, dass auch Niedersachsen sich mit anderen zur Erarbeitung eines einheitlichen Gesetzes zusammenschließt – neun Länder haben das getan. Denn die Schärfe der Haft, sagt Briese, dürfe nicht davon abhängen, in welchem Bundesland ein Straftäter ins Gefängnis kommt.