ENTSCHEIDENDES DETAIL : Nur ein gefühlter Anstieg?
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, sagte dem britischen Guardian, dies seien für deutsche Juden „die schlimmsten Zeiten seit der Nazi-Ära“. Anfang Juli waren bei Protesten gegen die israelischen Bombardierungen im Gazastreifen auch antijüdische Parolen laut geworden. Die Behörden hatten wegen Verdachts auf Volksverhetzung ermittelt. Wegen Übergriffen auf jüdische Einrichtungen und Menschen, die als Juden zu erkennen waren, hatte Graumann zuvor von einer „Welle des Antisemitismus“ gesprochen und die Öffentlichkeit zu mehr Solidarität aufgefordert.
Doch ob es in den vergangenen Wochen wirklich zu einer Zunahme von antisemitischen Straftaten gekommen ist, ist offen. Im ersten Halbjahr 2014 hat die Zahl der antisemitischen Straftaten sogar abgenommen – jedenfalls im Vergleich mit dem gleichen Zeitraum im Vorjahr. Das geht jetzt aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspartei hervor. Danach wurden in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 350 antisemitische Straftaten registriert. Im ersten Halbjahr 2013 waren es noch 409 Delikte gewesen. Von den 90 Tatverdächtige, die im zweiten Quartal 2013 im Zusammenhang mit antisemitischen Straftaten ermittelt wurden, stammten 86 aus dem rechtsextremistischen Milieu, vier waren Ausländer, heißt es in der Antwort der Bundesregierung. Haftbefehle wurden aber keine erlassen. BAX
➤ Der sonntaz-Streit SEITE 18