: „Keine Tricks, versprochen“
SOMMERINTERVIEW Andreas Dressel, Fraktionschef der SPD in der Bürgerschaft, über das Regieren mit absoluter Mehrheit, die nächste Hamburg-Wahl und das Nein zur Stadtbahn
39, Jurist. Seit 1993 in der SPD, seit 2004 Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft, seit 2011 Vorsitzender der SPD-Fraktion. Dressel ist verheiratet und hat drei Kinder.
INTERVIEW SVEN-MICHAEL VEIT
taz: Herr Dressel, seit dreieinhalb Jahren regiert die SPD mit absoluter Mehrheit, ohne dass ein Koalitionspartner reinredet. Macht Spaß, oder?
Andreas Dressel: Es geht nicht um Spaß, aber es macht vieles einfacher und Abläufe schneller.
Beim Durchregieren?
Nein, davon kann keine Rede sein. Wir suchen ja auch in der Bürgerschaft in vielen Fragen den Dialog und die Zusammenarbeit mit den anderen Fraktionen. Das hat schon mehrfach gut funktioniert.
Bleibt es bei der Ablehnung der Stadtbahn?
Ja. Wenn eine Stadtbahn irgendwann fertig wäre, würde sie den Anforderungen nicht langfristig genügen, die dann an den ÖPNV gestellt werden. Außerdem sehen wir doch jetzt schon, welche Proteste die im Vergleich zu einem 100-Kilometer-Stadtbahn-Netz vergleichsweise kleinen Bauarbeiten für das Busprogramm hervorrufen. Bei dem Protestpotenzial ist ein Stadtbahn-Bau Busbeschleunigung hoch zehn. Die Einführung einer Stadtbahn wäre zum Scheitern verurteilt – deshalb fangen wir damit gar nicht erst an.
Hauptverursacher der Luftverschmutzung ist aber der Autoverkehr. Wie wäre es mit Tempo 30, Umweltzone, City-Maut?
Wir halten unsere Wahlversprechen – und diese Maßnahmen haben wir ausgeschlossen.
Aber das müssen Sie doch im nächsten Wahlkampf nicht wieder tun?
Das Programm für die Wahl 2015 ist noch nicht fertig. Wir registrieren natürlich, dass die Zahl der Autobesitzer in Hamburg sinkt, dass die Autofahrten seltener werden, dass der öffentliche Nahverkehr und das Radfahren boomen. Das gilt es bei einer modernen Verkehrspolitik zu fördern.
Sind Sie immer noch unglücklich darüber, den Volksentscheid zur Rekommunalisierung der Energienetze verloren zu haben?
Darum geht es nicht. Wir haben das Ergebnis akzeptiert und sofort angefangen, den Volksentscheid ohne Murren umzusetzen. Beim Stromnetz sind wir schon durch, über Gas wird noch verhandelt und bei der Fernwärme werden wir 2018 die Option ziehen, das Netz ein Jahr später zu übernehmen.
Kritiker fürchten, dass es bei einem überhöhten Kaufpreis eine Möglichkeit gebe, den Volksentscheid nachträglich auszutricksen.
Nein. Das wird nicht geschehen. Gerade die LeserInnen der taz können sich darauf verlassen, dass die Stadt dann das Fernwärmenetz zurückkauft. Da gibt es keine Hintertürchen, wir tricksen nicht. Das verspreche ich.
Bei den Bezirkswahlen vom 25. Mai gab es eine Wahlbeteiligung von nur 41 Prozent: Minusrekord. Hat sich das neue Wahlrecht bewährt oder sollte es geändert werden?
Die Grundprinzipien des Wahlrechts haben sich durchaus bewährt. Aber es ist vielleicht an einigen Stellen zu kompliziert. Wir als SPD wollen gern über eine Reform diskutieren, auch und gerade mit dem Verein „Mehr Demokratie“, aber auch mit den anderen Parteien. Alleingänge von uns wird es nicht geben.
Das Wahlrecht hat „Mehr Demokratie“ bei einem Volksentscheid durchgesetzt. Jetzt möchte der Verein Hamburg als Einheitsgemeinde auflösen und aus den sieben Bezirken eigenständige Großstädte im Bundesland Hamburg machen. Was halten Sie davon?
In Hamburg dominiert nach fast zehn Jahren CDU-geführter Regierungen (von 2001 bis 2011) wieder die SPD.
■ Wahl 2011: Die SPD erreichte mit 48,4 Prozent die absolute Mehrheit (62 von 121 Mandaten). Die Opposition: CDU 21,9 % (28 Sitze), Grüne 11,2% (14), FDP 6,7% (9), Linke 6,4% (8).
■ Wahl 2015: Eine erneute absolute Mehrheit der SPD ist fraglich. Gefährdet ist der Wiedereinzug der FDP, offen der erstmalige Einzug der AfD.
■ Die SPD: Musste 2001 nach 44 Jahren Dauerregierens – alleine oder mehrfach mit der FDP, einmal mit der Statt-Partei und einmal mit den Grünen – in die Opposition. Brauchte zehn Jahre, die Demission von Ole von Beust, den Bruch der schwarz-grünen Koalition und Olaf Scholz, um wieder regieren zu dürfen.
Gar nichts. Die kommunale Einheit hilft Hamburg sehr viele Aufgaben zu meistern. „Mehr Demokratie“ hat viele gute Ideen gehabt und Anstöße gegeben: Volksentscheide, Bürgerbegehren, das Transparenzgesetz zum Beispiel. Aber das Gesamtkunstwerk Hamburg in seinen Grundfesten zu erschüttern, ist eine richtig schlechte Idee.
Die nächste Bürgerschaftswahl ist am 15. Februar 2015. Die SPD will vermutlich ihre absolute Mehrheit verteidigen?
Ja. Und für weitere fünf Jahre mit einem Ersten Bürgermeister Olaf Scholz regieren. Das wäre das Beste für die Stadt.
Und wenn die SPD die absolute Mehrheit verliert und einen Koalitionspartner braucht?
Wir haben einige gut funktionierende Bezirkskoalitionen mit den Grünen. Sie wären unsere ersten Ansprechpartner auch auf Landesebene.
Welchen Senatorenposten streben Sie an?
Gar keinen. Ich möchte sehr gern Vorsitzender der SPD-Fraktion bleiben.
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