Charmant nachlässig und ohne Befindlichkeitskrisen

SOMMERTHEATER Mit „La Mandragola“ feiert das Hexenkesselhoftheater am Monbijoupark sein Bestehen seit 20 Jahren

Das Theater hat Ferien, und das gleich in einem zweifachen Sinn. In den festen Häusern wie Schaubühne oder Volksbühne ist jetzt Spielzeitpause, die Türen sind geschlossen. Das ist die Zeit der freien Compagnien: Sie spielen unter Wolken, Mond und Sternen, am Monbijoupark, im Schöneberger Südgelände, im Hof des Galli-Theaters, am Alex. Und in deren Inszenierungen atmet das Theater nicht selten innerlich auf und nimmt Ferien von vielem, was es in der regulären Spielzeit und den institutionalisierten Häusern mit sich schleppt.

Das Spiel erholt sich gewissermaßen von der Suche nach dem Diskurs, schnurzegal ist ihm der Druck, öffentlich relevante Themen zu bearbeiten, fern hält man sich von ästhetischen Befindlichkeitskrisen. Das Publikum dankt mit Erleichterung und kauft Tickets.

Schon das draußen Rumstehen, bevor es losgeht, ist anders. Am Monbijou-Theater, gegenüber dem Bodemuseum, schaut man erst mal ein bisschen den Tanzenden am Ufer der Spree zu. So viel Idylle gibt’s doch gar nicht wie hier in einer lauen Nacht. Theaterbesucher, Touristen, Tanz- und Strandbarpublikum, alles mischt sich. Jogger kämpfen sich durch. Und dann die schwer und farbenprächtig kostümierten und fett geschminkten Schauspieler. Sie ergreifen den Karren, auf dem die winzige Bühne montiert ist, grade mal Platz für zwei Schauspieler und einen Vorhang.

Etwas unwirsch knurren sie die Zuschauer an, jetzt aber mal hierhergeschaut. Sie sind Arbeitstiere, Routiniers, das sollen wir ruhig spüren. Drei Vorstellungen am Abend spielt das Hexenkessel Hoftheater am Monbijoupark, zweimal Shakespeare, einmal Machiavelli, jeweils fünfmal ensuite. Das hinterlässt seine Spuren.

Es ist die Routine, die sich über sich selbst mokiert, mit der die Spieler von „La Mandragola“ in ihr Stück einsteigen. Mit der Inszenierung von Alberto Fortuzzi feiert das Hexenkessel Hoftheater dieses Jahr sein 20-jähriges Bestehen. Der Bühnenkarren wird erst mal hierhin, mal dorthin über die Brücke am Bodemuseum gezogen, Radfahrer weggescheucht, Trödelnde zusammengeschissen, bis man endlich Platz nehmen darf, ein bisschen atemlos. Jetzt steht der Mond neben der Museumskuppel, niedlich wirkt die gemalte Kulisse. Bücken müssen sich alle, um durch die auf Pappe gemalten Türen zu kommen.

Dann folgt eine ziemlich lange und umständliche Exposition, bis es losgeht mit Doppelt- und Dreifachintrigen. Ein korrupter Pater, ein agiler Kuppler, eine karrieregeile Mutter und ein Diener, der als Einziger den Blick der Vernunft beibehält, treiben ziemlich viel Aufwand, damit der reiche Callimaco, der sonst nichts zu tun hat, eine Nacht mit der schönen Lucrezia verbringen kann und ihr depperter Ehemann das auch noch für eine gute Idee hält.

Glaubwürdig sein muss hier nichts, die fast 500 Jahre alte Komödie des vor allem als Staatsphilosophen bekannten Machiavelli trumpft ja gerade mit dem Unwahrscheinlichen auf. Das gibt jede Menge Gelegenheit, mit kleinen, fast dezenten Zeichen des Einvernehmens dem Publikum schon zu bedeuten, dass man weiß, dass es hier nur um Stuss geht. „Bescheuert oder nicht bescheuert“, variiert denn auch der gehörnte Ehemann (Georg Kaser) einen berühmten Theatermonolog. Dass mitten in der Intrige selbst ihr Chefplaner Ligurio (Matthias Horn) die Übersicht verliert und erst von der Souffleuse wieder auf Kurs gesetzt wird, passt da nur zu gut. Es ist die charmante Nachlässigkeit, mit der man spielt, die jeden Unsinn schlucken lässt.

Noch erwähnen sollte man, dass Roman Kanonik, der sowohl die Paraderolle des Dieners Siro spielt als auch die Mutter von Lucrezia, in deren barockem Kleid äußerst interessant aussieht. Sein schwarzer Vollbart bildet einen sehr harmonischen Kontrast zur hochgetürmten Perücke. Und die einzige Frage, die man vielleicht mit nach Hause nimmt, ist: Ist das imposante Brusthaar echt, das aus dem tiefen Dekolleté schaut?

KATRIN BETTINA MÜLLER

■ „La Mandragola“, 12.–16., 19.–23., 26.–30. August, 21. 15 Uhr am Monbijoutheater