: „Kein klassischer Gedenkort“
DISKUSSION Erinnerung an die Opfer eines rechtsextremen Anschlags in Hamburg von 1980
■ 56, schreibt als freier Journalist unter anderem für die taz und recherchierte im Auftrag der Zeit über den Brandanschlag in Billbrook.
taz: Herr Keil, warum haben Sie zu dem Brandanschlag einer Neonazi-Gruppe auf das Flüchtlingswohnheim in der Billbrooker Halskestraße vor 34 Jahren recherchiert?
Frank Keil: Das war ein normaler Arbeitsauftrag. Als die NSU-Geschichte durch alle Medien ging, wurde ich gebeten, herauszufinden, ob es hier schon vorher rassistisch motivierte Anschläge gegeben hatte.
Wurde der Anschlag ausreichend aufgearbeitet?
Im Prozess, von dem ich viele Akten einsehen konnte, wurden die Täter zu langen Haftstrafen verurteilt. Es gab auch eine Trauerfeier für die beiden Opfer, an der der Senat maßgeblich beteiligt war. Merkwürdigerweise hat das Interesse danach jedoch schnell nachgelassen. Einen klassischen Gedenkort gibt es nicht.
Welche Form des Gedenkens am Tatort wäre angemessen?
In diesem Monat wird eine Gedenktafel aufgestellt. Das ist ein erster Schritt. Die Geschichte wird durch neue Straßennamen oder Gedenktafeln mehr zum Teil des Alltags. Täglich auf dem Weg zur Arbeit über den Kemal-Altun-Platz denke ich an diesen türkischen Asylsuchenden aus Berlin, der sich aus dem Fenster gestürzt hat. Ich hoffe, dass es auch eigene Impulse aus der deutsch-vietnamesischen Community gibt, da die Anschlagsopfer Vietnamesen waren.
Woran liegt es, dass die Tat aus dem öffentlichen Fokus gerückt ist?
Ich denke, dass die betroffene Gruppe das Gedenken meist selbst einfordern muss. Sonst passiert nichts. Ich habe mit Angehörigen und vietnamesischen Zeitzeugen gesprochen. Der Anschlag wurde von ihnen nicht thematisiert. Auch die deutsche Öffentlichkeit hat die Tat schnell vergessen. Man hat die Vietnamesen damals offen empfangen. Ich glaube, viele möchten deshalb nicht an solche Untaten erinnert werden.
Bedeutet das, dass Erinnerung erst stattfindet, wenn ein Thema wie im Fall des NSU in den Medien ständig präsent ist?
Erinnerung kann auch aus der Gesellschaft kommen. In diesem Fall müssten sich die Hamburger Bürger und die vietnamesische Gemeinde, aber auch die Politiker mehr einsetzen. Ich glaube, Erinnern funktioniert über Langsamkeit und Dauer, nicht knallig. Die Stolpersteine sind ein gutes Beispiel dafür.
INTERVIEW: NORA KOLHOFF
„Halskestraße 1980: Rassistische Morde in Hamburg“, Diskussion mit Frank Keil, dem Rechtsanwalt Ünal Zeran und dem Politikwissenschaftler Kien Ngi Ha: 19.00 Uhr, Centro Sociale, Sternstraße 2