„Aus der Notwendigkeit“

WELTLINKSHÄNDERTAG Ob ein Kind Rechts- oder Linkshänder ist, stellt sich erst recht spät heraus

■ 48, ist Ergotherapeutin und betreibt gemeinsam mit ihrer Kollegin Angela Kesper eine Gemeinschaftspraxis in Bremen.

taz: Frau Scherreiks, Sie sind selber Linkshänderin – wie haben Sie Ihre Schulzeit in Erinnerung?

Sabine Scherreiks: Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich von rechts anfangen wollte zu schreiben, weil mir alles andere unlogisch erschien. Ich bin 1972 eingeschult worden, da war es überhaupt nicht üblich, dass die LehrerInnen den Linkshändischen gezeigt haben, wie sie sich beispielsweise das Blatt Papier richtig hinlegen können oder zu schauen, dass ein Schüler, der mit links schreibt, besser auf seiner rechten und nicht auf seiner linken Seite einen Tischnachbarn haben sollte.

Und heute achten LehrerInnen darauf?

Zumindest immer mehr. Und es wird auch immer normaler, Lernmaterialien und andere Gebrauchsdinge für LinkshänderInnen da zu haben – in jedem Kindergarten gibt es heute Linkshänderscheren.

Wann merkt man, dass sein Kind Linkshänder ist?

Bevor die Händigkeit richtig ausgebildet ist, kommen die Kinder bereits in die Schule. Aber man kann darauf achten, mit welcher Hand das Kind am liebsten greift. Es gibt Grobdiagnostiken, bei denen Kinder so tun sollen, als ob sie durch ein Fernrohr schauen oder telefonieren und es gibt Händigkeitstests. Wenn man eine Vermutung hat, sollte man das am besten mit dem Kinderarzt besprechen. Man sollte dem Kind aber nicht vorschreiben, was es mit welcher Hand tun soll!

Welche Probleme hat ein erwachsener Linkshänder?

Linkshänder leben in einer rechtshändig orientierten Welt. Sie haben Probleme mit Suppenkellen, die einen Ausgießer haben, sie haben im Restaurant Probleme mit dem Fischmesser, sie haben Schwierigkeiten mit einer Schere. Ich selbst habe sehr früh gelernt, eine Rechtshänderschere zu benutzen – in vielerlei Hinsicht lernen Linkshänder also aus der Notwendigkeit heraus die Beidhändigkeit.

Was können Linkshänder tun, die zum Rechtshänder „umerzogen“ wurden?

Das kommt darauf an, ob sie dadurch Probleme haben. Es gibt Möglichkeiten der Rückschulung, die aber besser funktionieren, je jünger man ist. Im Bereich der Ergotherapie machen das nur Therapeuten mit speziellen Zusatzausbildungen. INTERVIEW: SCHN