piwik no script img

Archiv-Artikel

Auf dem Weg zu den Klängen

HIPPEN EMPFIEHLT In „Sounds and Silence“ begleiten Peter Guyer und Norbert Wiedmer den Kopf des Musiklabels ECM Manfred Eicher auf Reisen zur Entstehung der Musik

Dem Filmteam gelingen Aufnahmen von Momenten, in denen die Musik vor unseren Augen zu entstehen scheint

VON WILFRIED HIPPEN

Von Kritikern, vor allem aber von vielen Musikern, mit denen er zusammenarbeitet, wird Manfred Eicher immer wieder für seinen meisterlichen Umgang mit der Stille gefeiert. Und dann dies: Der Firmensitz seiner Firma „Edition of Contemporary Music“, besser bekannt als ECM, liegt in einem hässlichen Betonklotz direkt an der Autobahn München-Lindau. Das Grundrauschen des Verkehrs ist dort allgegenwärtig – kein Wunder also, dass Manfred Eicher sich gerne auf Geschäftsreise begibt. Diese Pointe spielen die beiden Filmemacher Peter Guyer und Norbert Wiedmer schon nach den ersten paar Minuten ihres Porträts des Musikproduzenten aus, aber die Aufnahmen vom Büroalltag (am liebsten mit einem Blick durch die Fenster auf die nie endenden Autoschlangen) setzten sie immer wieder als Kontrapunkte ein, wenn ihr Film droht, im reinen Wohlklang zu versinken.

Denn diese Gefahr besteht zwangsläufig, wenn man sich mit ECM und seinem Gründer beschäftigt. Spötter sprechen von dem „ewigen Adagio“, mit dem Eicher seit den frühen 70er Jahren seinen ganz eigenen Klang zuerst bei der Jazzmusik und dann auch bei der zeitgenössischen ernsten Musik durchsetzte. Indem er ganz seinen eigenen Vorlieben folgte und Musiker fand, mit denen zusammen er sein Klangideal verwirklichen konnte, setzte er selber einen Trend in Gang, dessen Höhepunkt der extreme Erfolg des Albums „Köln Concert“ von Keith Jarrett war. Abgesehen von ein paar Tönen im Off, kommt der Star des Labels in diesem Film nicht vor. Auch das zweite Zugpferd des Labels Jan Garbarek spielt nur kurz bei Aufnahmen mit einem Orchester ein paar Takte und sagt dann einige Worte, doch der Saxophonist scheint inzwischen so identisch mit seinem ECM-Image und -Klang zu sein, dass Eicher kaum noch daran arbeiten muss.

Und um diese Arbeit des Produzenten mit den Musikern geht es den Filmemachern. Sie folgen Eicher zu verschiedenen Aufnahmeterminen und Konzerten in Tallinn, Beirut, Athen, Wien, Stockholm und Buenos Aires, wo er mit Musikern wie Arvo Pärt, Dino Saluzzi, Marilyn Mazur und Gianluigi Troversi an deren neuen Produktionen arbeitet. En passant sind dabei auch einige Kurzporträts vom Musikern entstanden. So folgt die Kamera etwa dem Bandoneonspieler Dino Saluzzi bei einer Reise mit der Cellospielerin Anja Lechner ins argentinische Hinterland, um ihr mit der Tangokapelle seiner Jugendfreunde die Wurzeln seiner Musik zu zeigen.

Und immer wieder kommt die Kamera zu Eicher zurück, dessen Arbeit ja nicht so eindrucksvoll in Bilder gefasst werden kann wie jene der Musiker. Oft sieht man ihn bei den Aufnahmen nur zuhören, ein paar Regler am Mischpult verstellen oder im Gespräch mit den Tontechnikern darüber, welche Mikrophone wie hoch ausgesteuert werden sollen. Doch dabei ist er so konzentriert und in die Musik versunken, dass man eine Ahnung davon bekommt, wie sehr dieser Klang, auch wenn andere ihn erzeugen, sein eigener ist. Bei den Orchesteraufnahmen mit Arvo Pärt ringen er und der Komponist sichtlich um jeden Ton, und wenn schließlich etwas gelingt, nehmen die beiden gesetzten Herren einander in die Arme und tanzen miteinander. Dem Filmteam gelingen Aufnahmen von einigen Momenten, in denen die Musik vor unseren Augen zu entstehen scheint.

Die unscharfen und fast immer in Zeitlupe montierten Reiseimpressionen, zu der dann immer die genau passende Musik aus dem ECM-Katalog erklingt, wirken dagegen auf die Dauer zu konventionell und geschmäcklerisch. Auch mit ihren Bildern sollten Filmemacher manchmal besser still sein.