: Ehepaare müssen weiter warten
HEIRATSMIGRATION Trotz Urteil des Europäischen Gerichtshofs hält die Große Koalition beim Ehegattennachzug aus der Türkei an Sprachtests fest. Die Union setzt sich damit durch
VON DANIEL BAX
BERLIN taz | Wer aus der Türkei zu seinem in Deutschland lebenden Ehepartner ziehen möchte, der muss weiter einen Deutschtest bestehen, bevor er ein Visum zur Einreise erhält. Nur in außergewöhnlichen „Härtefällen“ soll von dieser Regelung ab jetzt eine Ausnahme gemacht werden. Auf einen entsprechenden Erlass haben sich das Auswärtige Amt und das Innenministerium verständigt. Damit wird ein koalitionsinterner Streit zwischen Union und SPD beigelegt – zugunsten der Union.
Erst im Jahr 2007 hat die damalige Große Koalition die Regelung eingeführt, dass Ausländerinnen und Ausländer zunächst grundlegende Deutschkenntnisse nachweisen müssen, wenn sie zu ihrem Ehepartner nach Deutschland ziehen wollen. Diese Hürde müssen seitdem Ehepartner aus fast allen Ländern nehmen, egal, ob sie nun aus Thailand, der Türkei oder Costa Rica stammen – nur angeheiratete US-Amerikaner, EU-Bürger und Angehörige anderer Nationen, für die keine Visumspflicht gilt, sind davon befreit.
EU-Richter hatten diese Regelung im Juli jedoch gekippt – zumindest für Türken, die in Deutschland leben. Im konkreten Fall wollte eine türkische Frau vor drei Jahren zu ihrem bereits seit 1998 in Deutschland lebenden Mann ziehen, mit dem sie seit 1993 verheiratet ist und vier Kinder hat. Den Sprachtest hatte sie sogar knapp bestanden, doch die deutsche Botschaft in Ankara erkannte dies nicht an, weil die Frau Analphabetin sei und wahllos Antworten angekreuzt und drei auswendig gelernte, aber unpassende Sätze hingeschrieben hatte. Ihr Antrag auf Ehegattennachzug wurde deshalb abgelehnt, das Paar klagte vor dem Europäische Gerichtshof (EuGH) dagegen – und bekam im Juli Recht. Die Richter erklärten, die pauschale Regel verstoße gegen Vereinbarungen mit der Europäischen Union, wonach die Niederlassung von Türken in der EU grundsätzlich nicht erschwert werden dürfe. Und sie mahnten an, die konkreten Einzelfälle stärker zu berücksichtigen.
Nach dem Urteil aus Luxemburg hatten die deutschen Behörden zunächst keine Visa-Anträge von nachziehenden Ehepartnern mehr allein wegen eines fehlenden Sprachnachweises abgelehnt. Auf den Sprachnachweis soll nun aber nur verzichtet werden, wenn es dem Ehepartner nicht zugemutet werden kann, einen Sprachkurs zu besuchen – etwa weil es in seiner Nähe kein Angebot gibt, oder wenn er oder sie trotz ernsthafter Bemühungen innerhalb eines Jahres die Sprachprüfung nicht schafft. Für die meisten aber bleibt alles beim Alten.
Die Türkische Gemeinde in Deutschland ist darüber verärgert. Von einem „Rechtsbruch“ sprach ihr Bundesvorsitzender Safter Çinar. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum die SPD bei dieser Frage eingeknickt sei. Die hatte sich nach dem EuGH-Urteil nämlich dafür starkgemacht, die Sprachtests gleich für alle angeheirateten Ausländerinnen und Ausländer zu streichen. Çinar kündigte an, sich bei der EU-Kommission zu beschweren.
Für die SPD verwies Aydan Özoguz, die Staatsministerin für Integration, auf „erste Erleichterungen“, die der Erlass mit sich bringe. „Ich gehe davon aus, dass jetzt vor allem die Nachzugsanträge, die schon länger als ein Jahr bei den Behörden liegen, grundsätzlich positiv entschieden werden. Die Menschen warten hierauf zum Teil schon sehr lange“, sagte sie der taz. „Grundsätzlich darf das Zusammenleben von Ehegatten nicht vom Bestehen eines Sprachtests abhängen“, betonte sie. „Diese Absurdität müssen wir überwinden.“ Der Erlass sei daher nur „eine vorübergehende Regelung“.
Meinung + Diskussion SEITE 12