: NPD kapert Lichtenberger Rathaus
Die rechtsextreme NPD hält im Rathaus eine Veranstaltung ab, obwohl der Bezirk dies verboten hat. Die Polizei ist mit einem Großaufgebot angerückt – und verwehrt Journalisten und Besuchern den Zutritt zu den öffentlichen Räumen
Vor dem Rathaus Lichtenberg parken mehrere Mannschaftswagen der Polizei. Auf den Eingangstreppen haben sich die Beamten postiert. Im Foyer dahinter stehen drei dunkel gekleidete Männer und grinsen. So einfach hatten es die Ordner der NPD wahrscheinlich noch nie.
Unter dem Schutz von rund 60 Polizisten fand am Montagabend im Rathaus Lichtenberg eine Veranstaltung der rechtsextremen Partei mit rund 50 Teilnehmern statt. Darunter: der Parteivorsitzende Udo Voigt und der Landesvorsitzende Eckart Bräuniger. Dabei sind Parteiveranstaltungen in den Rathausräumen offiziell verboten. Nur mit einem Trick gelang es der NPD, den Ratssaal mit Platz für bis zu 100 Personen zu bekommen. Er wurde für eine Fraktions- und nicht für eine Parteiveranstaltung reserviert. Die NPD ist seit Oktober in der Bezirksverordnetensammlung (BVV) Lichtenberg mit drei Abgeordneten – also in Fraktionsstärke – vertreten.
Auf der NPD-Webseite wurde im Vorfeld für eine „öffentliche Informationsveranstaltung“ geworben, auf der sich die rechte Fraktion den Bürgern vorstellen werde. Sie sollte der Auftakt sein für mehr als 20 Veranstaltungen in diesem Jahr. Doch offensichtlich scheuen die Rechten die öffentliche Diskussion. Rund 40 jugendliche NPD-Gegner, aber auch Journalisten wurden von der Polizei daran gehindert, das Gebäude zu betreten. Von NPD-Ordnern ausgesuchte Gäste ließen die Beamten jedoch anstandslos durch. Aus der Infoveranstaltung in öffentlichen Räumen wurde so eine Parteiveranstaltung unter Polizeischutz.
„Die Beamten haben am Eingang einer Gruppe von 30 bis 40 Personen den Zutritt verwehrt, da von diesen ein offensichtliches Störverhalten ausging“, bestätigte gestern Polizeisprecher Michael Merkle. Nach seiner Aussage habe es aber keinen Ordnerdienst der NPD gegeben, auch Absprachen mit der Partei sei die Polizei nicht eingegangen.
Dem widerspricht Nico Roth, Sprecher der Antifa Hohenschönhausen. „Es gab eindeutig einen Ordnerdienst der NPD im Haus; vor der Tür hat die Polizei der NPD die Arbeit abgenommen“, so Roth. Mit dem Blockieren der Rathaustür habe die Polizei friedlichen NPD-Gegnern den Zugang zu einer öffentlichen Veranstaltung verwehrt und damit Rechtsbruch begangen.
Im Lichtenberger Rathaus war man von dem Auftreten der NPD völlig überrascht. Selbst der stellvertretende Bürgermeister Andreas Geisel (SPD) musste gestern zugeben, dass er vorher nicht informiert worden war. Auch die meisten Mitarbeiter des Rathauses erfuhren erst am Dienstag von dem nächtlichen Treiben der NPD. „Wir haben das erst am nächsten Morgen von einer Kollegin erfahren, die zufällig am Abend hier war“, so ein Rathausangestellter.
Der Lichtenberger Bezirksabgeordnete Kirill Jermak (Linkspartei) kritisierte den Auftritt der NPD und das Verhalten der Polizei. „Ich halte es für eine Frechheit, dass die NPD sich einfach so im Rathaus einschließen kann. Es muss die Möglichkeit geben, sich öffentlich und offensiv mit der NPD auseinanderzusetzen“, sagte der jugendpolitischer Sprecher der Linkspartei Lichtenberg zur taz. „Dass die NPD aus einer öffentlichen Veranstaltung einfach eine geschlossene Gesellschaft macht, offenbart den Charakter der Partei: Eine Diskussion über ihre politischen Inhalte ist nicht erwünscht“, so Jermak weiter. Die NPD hat auf eigenen Veranstaltungen in letzter Zeit – wie jüngst bei ihrem in aller Heimlichkeit abgehaltenen Landesparteitag – die Öffentlichkeit ausgeschlossen und nur ausgewählten Journalisten Zutritt gewährt.
Bezirksstadtrat Andreas Prüfer (Linkspartei) will den Vorfall untersuchen. „Wenn die NPD mit eigenen Ordnern Personen am Zutritt zum Rathaus gehindert hat, ist das eine Frage für den BVV-Ältestenrat.“ Er kündigte zudem an, die rechtlichen Grundlagen für die Vergabe des Raums zu überprüfen. JOHANNES RADKE