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Archiv-Artikel

johnny cash zum geburtstag exekutiert von GERD DEMBOWSKI

Johnny Cash kann froh sein, dass er seinen 75. Geburtstag am 26. Februar 2007 nicht mehr erleben musste. Womöglich hätte er vom grauseligen Treiben erfahren, das zu diesem Anlass im Berliner Lido stattfand. Kennen Sie das Gefühl, sich für etwas in den Erdboden zu schämen, das Sie gar nicht zu verantworten haben? Der ewige Dummbatz Gunter Gabriel und ein gewisser Roland Heinrich, die sich anmaßten, zu Cash 75. Geburtstag eine Bühne zu betreten, hätten es Ihnen gewiss beigebracht.

Gabriel trampelte die Songs daher, mit denen er sich schon seit hundert Jahren zum kleinkarierten Retter des deutschen Mannes aufschwatzt. Auch seine deutsche Version von Shel Silversteins „A Boy named Sue“ konnte er nicht vermeiden. In Gabriels schlachtschiffiger Manier missbrauchte er das Stück, um die Quintessenz seines Schaffens zu unterstreichen: Sei ein Gröhlnationalist und schlag deine Frau, weil immer andere schuld sind.

Weil sein kindesflüchtiger Vater ihn Sue nannte, will Sue ihn erschlagen. Vater erklärt Sue, dass dies ihn nur härter machen sollte – und alles ist wieder nett. So hart sein, das will Gabriel, wenn er in seinen Songs der deutschen Mark hinterher heult, Soldaten im Kosovo abfeiert und die Fahnen auf dem Autodach nach der Fußball-WM am liebsten zur Pflicht machen würde.

Dass Shel Silverstein, der mit seiner Parodie auf männliche Härteideale Johnny Cash 1969 einen Riesenhit bescherte, im zweiten Teil „Father of a Boy named Sue“ solch redneckigen Härtefällen eine Absage erteilte, ist Gabriel egal. In dieser Travestie erzählt Silverstein die Sue-Story aus Sicht des Vaters, der sich mit dem Transvestiten-Sohn Sue zu homosexuellem Inzest verträgt. So vergraulte Silverstein diejenigen, die ihn für bare Münze nahmen. Solche wie Gabriel, der einmal meinte, dass sein „dreckiges Arschloch“ von Vater ihn „lieber an der Schippe“ gesehen hätte. Dabei stellte seines Vaters Tun womöglich nur den Versuch dar, in weiser Voraussicht das Schlimmste zu verhindern.

Leider versagte nicht nur Gabriels Vater. Auch in meinem Mobiltelefon fehlte die Adresseintragung „Rettende Kavallerie“, so dass ich den Cash-Abend im Lido nicht beenden und 250 Leute vor ungeahnten Dummheiten bewahren konnte.

Welche Drogen auch immer den Prollbolzen Ben Becker zwangen, die Bühne mit sich zu bespringen, spätestens da war klar, dass hier der vorläufige Höhepunkt der Johnny-Cash-Übersättigung besiegelt wurde. Nicht genug, dass Punks und Jung-Yuppies sich reihenweise Cash-Shirts überhalftern. Nicht genug, dass Hollywood sich die Cash-Story zurecht schmonzettet. Nicht genug, dass kaum eine Großstadtbar den „American Recordings“ entkommt. Nicht genug, dass Peter Lohmeyer mit seiner Stimme eine Cash-Biografie auf ein Hörbuch zwang. Ben Becker schaffte es an diesem Abend mit seinem Gejaule zu Gabriels „Dieselknecht“, noch einen Haufen dorthin zu setzen, wo schon viele Haufen waren.

Es blieb nichts anderes übrig, als danach zu Hause den einzigen „Folsom Prison Blues“ einzulegen: „I shot a man in Reno, just to watch him die.“ An diesem Abend im Lido war es Johnny Cash, den Gunter Gabriel und Roland Heinrich exekutierten. Bislang ungesühnt.