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Archiv-Artikel

Typisch emsländisch?

EKLAT Keine Verleihung des Medienpreises Emsland, weil dem Stiftungsrat kritische Beiträge missfallen

Nach einem Eklat hat die emsländische Johann-Alexander-Wisniewsky-Stiftung die Verleihung ihres mit 10.000 Euro dotierten Medienpreises Emsland abgesagt. Vier von fünf JurorInnen hatten zuvor ihren Rücktritt erklärt – weil sich der Stiftungsrat in ihre Entscheidung eingemischt hatte, kritische Zeitungsberichte auszuzeichnen.

Auf zwei Journalisten war die Wahl der Jury gefallen, in der neben anderen der ehemalige Hörfunk-Programmdirektor von Radio Bremen, Hermann Vinke, und die Studioleiterin des NDR Osnabrück, Waltraud Luschny, saßen: Sebastian Beck von der Süddeutschen Zeitung für seine Reportage „Bis aufs Blut“ über eine Hähnchengroßschlachterei und Tobias Böckermann von der Meppener Tagespost für seine Reportageserie „Faszinatur Emsland“. Beides „journalistisch hervorragende Beiträge“, wie Exjuror Vinke auf taz-Nachfrage erklärt.

Fehlender Lebenslauf

Die Stiftung aber, zu deren Mitgliedern neben emsländischen Unternehmern auch der CDU-Landrat zählt, lehnte die Juryentscheidung ab – offiziell wegen der „Nichteinhaltung der Bewerbungsformalitäten“. Bei einer der Bewerbungen fehlte ein tabellarischer Lebenslauf, bei der anderen zudem ein Bewerbungsbogen. Für Exjuror Vinke sind das „ganz klar nur Vorwände“. Formalia hätten bei früheren Verleihungen des Medienpreises keine Rolle gespielt.

Vinke vermutet vielmehr andere Motive hinter dem Eingreifen: „Die Stiftung hat offenkundig nicht damit gerechnet, dass wir auch kritische Berichte auswählen“, sagt er. „Was ist typisch emsländisch und trotzdem einzigartig?“, hieß die Aufgabe in der Ausschreibung des Preises. Dem SZ-Journalisten Sebastian Beck war da die regional boomende Hähnchenindustrie eingefallen. Er schreibt in seiner Reportage über Europas größte Hähnchenschlachtfabrik, die Schlachterei Rothkötter in Haren an der Ems. Und berichtet von den über 120 Millionen Hähnchen, die dort jährlich sterben, und den Tierschützern, die dagegen protestieren. „Ein ausgezeichnetes Beispiel, wie Journalismus sein sollte“, findet die Jury: „Nicht belehrend, sondern im besten Sinne aufklärend.“

Seltene Hirschkäfer

Der zweite Auserwählte, Tobias Böckermann, hat in seiner Serie „Faszinatur Emsland“ unter anderem seltene Insekten wie den Hirschkäfer porträtiert. Seine Beiträge führen ins Bewusstsein, was bei allem wirtschaftlichen Fortschritt im Emsland unterzugehen droht, urteilt die Jury.

Natur- und Umweltschutzthemen aber seien bei der Johann-Alexander-Wisniewsky-Stiftung nicht gut angekommen, sagt Vinke. „Man hat von uns erwartet, dass wir Beiträge über die positive wirtschaftliche Entwicklung des Emslands auswählen.“

Vorwürfe, die der Stiftungsvorstand derweil zurückweist: „Zu keinem Zeitpunkt“ habe man inhaltlich Einfluss nehmen wollen, heißt es dort. Abgesagt werde die für April geplante Preisverleihung einzig wegen „der emotionalen Reaktionen einzelner Jurymitglieder“. Die machten eine Weiterführung des Verfahrens zwecklos.

TERESA HAVLICEK, HANNOVER