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Archiv-Artikel

Der Gitarrist, der Clapton austrickste

„To Tulsa and Back – On Tour With J. J. Cale“ von Jörg Bundschuh

Auf dem Cover seines Debütalbums „Naturally“ (einer Schallplatte, wir reden also von längst vergangenen Zeiten) sitzt ein Dachs gemütlich in der Landschaft herum. J. J. Cale ist diesem Grimbart im Laufe seiner Karriere immer ähnlicher geworden, denn mit einem gesunden Phlegma ist es ihm gelungen, trotz großem musikalischem Talent und einem ganz eigenen, sehr verführerischen Ton, den viele zu kopieren versuchten, kein Star zu werden, und stattdessen allen Fallen des Musikgeschäftes zu entgehen. Vom Temperament her ist er eher scheu, introvertiert, vielleicht auch ein wenig faul.

„Laid back“ ist bei ihm nicht nur der Name der für ihn typischen Spieltechnik, (er spielt seine Gitarre immer knapp hinter dem vorgegebenen Takt des Stückes), sondern auch seine Lebensart. Bequem zurückgelehnt fährt er in diesem Dokumentarfilm durch sechs amerikanische Bundesstaaten von Konzerttermin zu Konzerttermin, und weil der Filmemacher Jörg Bundschuh und sein Team aus Deutschland kommen, feiert er wie noch jeder dort reisende Regisseur aus unserem Lande seit den Zeiten von Hartmut Bitomsky und Wim Wenders die amerikanischen Landschaften mit langen Totalen aus fahrenden Autos heraus. Dazu passen dann allerdings wieder wunderbar die Songs von J. J. Cale, denn diese sind grandiose Reisemusik, die immer eher ländlich als großstädtisch klingt – und so überrascht es auch gar nicht, dass Cale seinen Stil in dem kleinen, eher verschlafenen Örtchen Tulsa entwickelte, in das er anlässlich dieser Tournee nach 20 Jahren wieder zurückkehrt.

Cale spielt sich nie gern in den Vordergrund, und grummelt bei seinen Auftritten lässig und extrem minimalistisch seine Songs ins Mikrophon. Und dennoch ist er extrem effektiv – jeder Takt swingt und man merkt nicht nur an der Reaktion des Publikums was für eine intensive und sympathische Bühnenpräsenz er hat. Mark Knopfler von „Dire Straits“ kopierte Cales Spielweise auf der Gitarre einst schlicht und bastelte sich damit eine ansehnliche Karriere zusammen. So unterschiedliche Musiker wie „The Allman Brothers“, Johnny Cash, Bryan Ferry, John Mayall und Carlos Santana haben Coverversionen von seinen Songs aufgenommen, und Eric Claptons erste Erfolge als Solokünstler waren Cales Kompositionen „After Midnight“ und „Cocaine“. Clapton selbst hat immer wieder betont, wie viel er Cale auch bei der Entwicklung seines eigenen Gitarrenstils schuldet. Ein langes Interview mit dem Stargitarristen sowie ein gemeinsamer Auftritt der beiden bei Claptons Crossroads Festival bildet dann auch einen der Höhepunkte dieses eindeutig aus der Perspektive eines Fans heraus gedrehten Musikerportraits.

Aber am nächsten kommt der Film Cale immer dann, wenn er ihm gestattet, sich selbst zu inszenieren. Denn der ist vielleicht doch eher ein schlauer Fuchs, der immer genau weiß, das die eingefleischten Fans es immer wieder gern hören, wenn er erzählt, wie er die Einladung zu einer großen Fernsehshow ausschlug, weil er dort nicht live singen, sondern nur zum Vollplayback die Lippen bewegen sollte: „Das wäre doch abgedroschen gewesen, ich bin Musiker und kein Schauspieler.“ Und einmal hat er dann sogar Eric Clapton reingelegt. Bei ihrem gemeinsamen Auftritt improvisierte Cale solch eine verästelte Introduktion zu „After Midnight“, dass Clapton den Song, der immerhin einer seiner größten Hits war, erst nach einigen Minuten erkannte. Bei solch einem Protagonisten kann ein Dokumentarfilmer kaum etwas falsch machen.

Wilfried Hippen