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Archiv-Artikel

Das Problem der Perspektive

FESTIVAL Gute Dokumentarfilme machen die Haltung des Regisseurs erkennbar. Einige dieser Filme sind ab 6. April während der Hamburger Dokumentarfilmwoche zu sehen

VON WILFRIED HIPPEN

Bei der immer größer werdenden Bilderflut in den elektronischen Medien bietet eine altmodische Gattung wie der Dokumentarfilm die Möglichkeit eines genaueren Blicks. Wenn der Film etwas taugt, macht er die Haltung des Filmemachers erkennbar. Gerade wenn man versucht, die Realität abzubilden, sollte man den Anschein, dies aus einer objektiven Position zu tun, vermeiden. Die „Einstellung“ hat nicht umsonst einen doppelten Wortsinn: Sie setzt immer eine moralische Entscheidung voraus. Die Filme von Michael Moore sind auch deshalb so erfolgreich, weil sie so offensichtlich subjektiv sind.

Unter den 46 auf der Dokumentarfilmwoche Hamburg gezeigten Filmen läuft mit „Unter Kontrolle“ eine Dokumentation, die so aktuell ist, wie es sich der Regisseur Volker Sattler wohl kaum hat vorstellen können: Der Film verhandelt die Sicherheit der deutschen Atomkraftwerke. Das Problem der Perspektive wurde hier spannend gelöst: Manchmal ist äußerste Sachlichkeit die effektivste Polemik.

98 Minuten lang wird in diesem Film nur Technologie gezeigt. Sattler hat mit der Kamera eine unendlich scheinende Reihe von Atomkraftwerken, Urananreicherungsanlagen, Atommülllager und Forschungsinstitute besucht. Ständig lauert in diesem Film die Katastrophe, die nur mit monumentalem Aufwand verhindert werden kann. Zu Wort kommen lediglich die dort arbeitenden Spezialisten.

Zu den Dokumentarfilmern, die wie Hartmut Bitomski und Volker Köpp einen ganz eigenen Stil entwickelt haben, zählt Stanislaw Mucha, der sich schon in seinem Debutfilm „Warholia“ an Popmythen abarbeitete. In Hamburg wird sein neuester Film „Die Wahrheit über Dracula“ gezeigt. Für diesen reiste er nach Transsilvanien und traf dort eine Hand voll von skurrilen Charakteren, denen er sich mit seiner eigenen Mischung aus Spott und Zärtlichkeit nähert. Mucha zeigt, welche Blüten der Kult um den Blutsauger treibt.

Das bisher eigenständig veranstaltete Musikfilmfestival „Unerhört!“ wird, nachdem es wegen gestrichener Fördergelder vor dem Aus stand, als eine Sektion ins Programm aufgenommen. Gezeigt werden sieben Musikdokumentationen, darunter „Youssou N’Dour: Rückkehr nach Gorée“ von Pierre-Yves Bergeaud, in der sich der senegalesische Sänger auf die Reise nach den Ursprüngen des Jazz macht.

Eine Retrospektive ist der in Hamburg lebenden Filmemacherin Gisela Tuchtenhagen gewidmet, die in den 1970er Jahren als eine der ersten Kamerafrauen des deutschen Films arbeitete. Gezeigt werden unter anderem ihr Dokumentarfilm „Heimkinder“, für den sie 1986 den Grimme-Preis erhielt. Außerdem laufen das Portrait „Hansa-Theater – Varieté“ sowie der Film aus der Dithmarscher Provinz „Der Wirt, die Kneipe und das Fest“.

Dokumentarfilmwoche Hamburg: 6. bis 10. 4. im 3001, Lichtmess, Metropolis und B-Movie