: Technologiewandel gefordert
Forschungsministerin Schavan steigt in die Klimafolgenforschung ein. 290 Millionen Euro stellt sie für die nächsten drei Jahre zur Verfügung. Für Kritiker ist das immer noch zu wenig. Für die Atomenergie wird weiterhin ein Vielfaches ausgegeben
VON NICK REIMER
Die Bundesregierung wird 255 Millionen Euro für die Klimafolgenforschung bis 2009 bereitstellen. Das erklärte Frieder Meyer-Krahmer, Staatssekretär im Bundesforschungsministerium, auf der Tagung „klimazwei“, die gestern in Berlin zu Ende ging. Zusätzlich werden insgesamt mit 35 Millionen Euro 42 konkrete Projekte gefördert, die auf der Konferenz vorgestellt wurden. „Damit sollen zwei Richtungen verfolgt werden: Erstens suchen wir innovative Technologien, die den Ausstoß klimaschädlicher Gase verringern. Zweitens müssen wir uns auf die unvermeidbaren Klimaänderungen in den nächsten Jahren einstellen.“
Der Klimawandel ist jetzt also endlich auch in der deutschen Forschungspolitik angekommen. „Es geht nicht mehr darum, zu erforschen, ob es einen Klimawandel gibt. Jetzt gilt es, zu erforschen, was aus dem Klimawandel folgt“, hatte Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) nach Vorstellung des IPCC-Berichts zum Klimawandel vor Monatsfrist erklärt. Der Umgang mit dem Klimawandel erfordere einen intelligenten Technologiewandel auf einer soliden wissenschaftlichen Basis.
„Das bedeutet nicht, dass wir unsere Unterstützung der Erforschung des Klimawandels einstellen“, erklärt Ministeriumssprecherin Viola Klamroth. So werde etwa der Klimarechner des Hamburger Max-Planck-Institutes für Meteorologie weiter finanziert. Klamroth: „Der Forschungsschwerpunkt muss sich aber angesichts der wissenschaftlichen Entwicklung zwangsläufig ändern.“
Forschungsstaatssekretär Frieder Meyer-Krahmer illustrierte das auf der Berliner Konferenz. Ein gefördertes Projekt widmet sich beispielsweise der Stahlproduktion: Durch eine Kopplung der technologischen Prozesse „Gießen“ und „Warmwalzen“ sollen 85 Prozent der eingesetzten Energie eingespart werden. „85 Prozent eingesparter Energie bedeuten auch 85 Prozent weniger Kohlendioxid“, so Meyer-Krahmer. Ein anderes Projekt beschäftigt sich mit der Weizenproduktion. „Durch die zunehmenden Frühsommer-Trockenheiten und Dürren ist das weltweit wichtigste Nahrungsmittel zunehmend in Gefahr“, so der Staatssekretär. Über neue Zuchtformen soll dem Weizen zu einer Anpassung an diese neuen Trockenzeiten verholfen werden. Ein drittes Projekt beschäftigt sich mit den Flugrouten: Wie kann man diese so optimieren, dass Kerosin eingespart werden kann?
„Gut“ findet der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer die Neuausrichtung der Forschungsschwerpunkte. „Allerdings ist das Finanzvolumen dem Problem bei weitem noch nicht angemessen“, so der Vorsitzende des Weltrats für Erneuerbare Energien. Als Beispiel nannte Scheer die erneuerbare Projektforschung, die unter Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) von einem mittleren zweistelligen Betrag auf einen hohen zweistelligen Betrag angestiegen sei. Scheer: „Die atomare Projektforschung wird aber mit einem dreistelligen Millionenbetrag jedes Jahr gefördert. Genauso wie die Erforschung der Kernfusion.“ Tatsächlich gehen den beiden Fusions-Forschungsstandorten Greifswald und München jedes Jahr 150 Millionen Euro zu.
„Immer noch deutlich zu wenig“, beurteilt Scheer deshalb die vom Bundesforschungsministerium bereitgestellten Mittel. So erhalte die Helmholtz-Gesellschaft jedes Jahr drei Milliarden Euro, von denen vieles in alte großindustrielle Energieforschung gehe. Dies müsse sich im nächsten Jahr ändern. Alle fünf Jahre nämlich werden die Forschungspläne der Gesellschaft evaluiert. Scheer: „Wenn es dem Bundesforschungsministerium ernst ist mit einem Paradigmenwechsel, dann muss sich das im nächsten Plan widerspiegeln.“
Das Energieforschungsprogramm „Innovation und neue Energietechnologien“ – zweiter Pfad neben der Klimaforschung – illustriert die derzeitigen Verhältnisse. Noch von der rot-grünen Bundesregierung beschlossen, stellt dieses Förderprogramm zwischen den Jahren 2005 bis 2008 rund 1,7 Milliarden Euro zur Erforschung und Entwicklung moderner Energietechnologien bereit. Gesamtverantwortlich für diese Mittel ist das Bundeswirtschaftsministerium. Ganz oben auf dessen Agenda: moderne Kraftwerkstechnologien auf Basis von Kohle und Gas, einschließlich Kohlendioxid-Abtrennung und Kohlendioxid-Speicherung. Es folgen: Brennstoffzellen, Wasserstoff und Energiespeicher sowie nukleare Sicherheits- und Endlagerforschung.
Infos: www.klimazwei.de www.bine.info