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Archiv-Artikel

DIE JUGENDKRAWALLE VON KOPENHAGEN KOMMEN NICHT VON UNGEFÄHR Verständliche Wut

Jetzt will es mal wieder keiner gewesen sein. Da schenkt die Stadt Kopenhagen Jugendlichen großzügig ein Haus zur autonomen Nutzung. Diese bauen es mit großem Engagement zu einem Kulturzentrum aus. Und dann wundert man sich, wenn sie es nicht einfach klaglos hinnehmen wollen, dass ihnen ihr Treffpunkt wieder weggenommen wird, weil den PolitikerInnen die ganze Entwicklung dort nicht passt. Und weil man mit einem Verkauf ein gutes Geschäft machen kann.

Was sich in Kopenhagen abspielt, ist nicht Randale um der Randale willen. Und man muss noch etwas mehr wissen, will man die jetzige Wut der Jugendlichen verstehen. Es ging beim Jagtvej 69 nicht nur um irgendein Gebäude, das sich durch ein beliebiges anderes ersetzen ließe, sondern um ein politisches, historisches und praktisches Symbol. In diesem ehemaligen „Volkshaus“ war seit Anfang des letzten Jahrhunderts die Arbeiterbewegung zu Hause gewesen, in den Jahrzehnten, als die Sozialdemokratie sich noch nicht darauf beschränkte, alle vier Jahre um Kreuzchen zu werben, sondern einen Anspruch auf Volksbildung hatte. Eine Tradition, die 25 Jahre lang von den neuen BenutzerInnen weitergeführt wurde – von jungen Menschen, die ihre Freizeit nicht in Discos verbringen wollten, sondern dort einen Freiraum für ihre Kultur und ihre Musik gefunden hatten.

Nun soll eine fragwürdige Sekte im Jagtvej 69 einziehen, die unter dieser historischen Adresse provozieren und Unruhe stiften will. Was wäre wohl geschehen, hätte eine militante muslimische Gruppe das Gleiche vorgehabt? Die StadtpolitikerInnen hätten vermutlich ganz schnell eine Lösung gefunden, um dies zu verhindern, und sich nicht hinter juristischen Ausflüchten versteckt.

Jahrzehntelang galt Dänemark als Hort der Toleranz, in dem ganz selbstverständlich auch für einen Freistaat Christiania und einen Jagtvej 69 Platz war. Womit diese Gesellschaft eigentlich recht gute Erfahrungen machte. „Fuck You! Jetzt ist Krieg“, steht seit Donnerstag an einer Friedhofsmauer neben dem geräumten Jugendzentrum. Das ist verständlich. Aber keine Lösung. REINHARD WOLFF