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Archiv-Artikel

Jetzt wird spekuliert

Im Ruhrgebiet könnte der größte Wohnungskonzern Europas entstehen. Verbraucherschützer befürchten geringeren Schutz, steigende Mieten – und warnen vor weiteren Privatisierungen

VON HOLGER PAULER

Immobiliengesellschaften spielen Monopoly: Der britische Finanzinvestor Terra Firma will seine Tochter, die Bochumer Immobilienfirma Deutsche Annington, an den Konkurrenten Gagfah verkaufen. „Es wäre eine Traumlösung für beide Unternehmen“, sagt Terra Firma-Chef Guy Hands im Spiegel. Sollte der Deal zu Stande kommen, würde die börsennotierte Gagfah mit mehr als 400.000 Wohnungen zum größten europäischen Wohnungskonzern aufsteigen. „In diesem Fall hätten wir es mit einem Monopolisten auf dem nordrhein-westfälischen Wohnungsmarkt zu tun“, sagt Knut Unger vom Mieterforum Ruhr. Rund zwei Drittel des Wohnungsbestandes befindet sich im bevölkerungsreichsten Bundesland.

„Die Entwicklung ist dramatisch“, warnt Horst Becker, wohnungspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag. Vor allem die Mieter würden dies zu spüren bekommen. „Schon jetzt werden Mieterrechte abgebaut und Mieten erhöht“, sagt Becker. Der Prozess werde sich angesichts der Konzentration der privaten Wohnungsgesellschaften weiter beschleunigen.

Die Deutsche Annington hatte erst im Jahr 2005 150.000 Mietwohnungen der ehemaligen Eon-Tochter Viterra übernommen und den eigenen Bestand auf 230.000 Wohnungen aufgestockt. „Die Versprechen, dass es sich beiden Aufkäufen um langfristige Investitionen von fünf Jahren oder mehr handele werden schneller widerlegt, als wir befürchtet haben“, sagt Unger.

Interessant könnte das Geschäft auch für die geplante Privatisierung der nordrhein-westfälischen Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) werden. Die schwarzgelbe Landesregierung plant, Anfang 2008 unter anderem die knapp 100.000 Mietwohnungen der LEG verkaufen. Deutsche Annington und Gagfah haben Interesse.

Das NRW-Bauministerium wollte keine Stellung nehmen, da es sich nur um „Spekulationen“ handele. „Wenn sie es mit dem Mieterschutz ernst meint, muss die Landesregierung spätestens jetzt ihr Konzept der Privatisierung öffentlicher Wohnungen überdenken“, hält Grünen-Politiker Becker dagegen.

Aus dem Landtag heißt es zudem, dass die Konzentration auf dem Wohnungsmarkt auch Einfluss auf den geplanten Börsengang der RAG haben könnte. Der Essener Mischkonzern will noch in diesem Jahr mit den Sparten Chemie, Energie und Wohnimmobilien an die Börse. Die Mietwohnungen der LEG standen dabei auch auf dem Wunschzettel. Mit der Gagfah könnte demnächst ein übermächtiger Konkurrent entstehen.