: Dumping am Himmel
VON MALTE KREUTZFELDT UND HANNA GERSMANN
2,98 Millionen Flugzeuge sind vergangenes Jahr in Deutschland gestartet und gelandet – so viel wie nie zuvor. Das zeigt der Mobilitätsbericht 2006, den die Deutsche Flugsicherung gestern vorstellte. Titel: „Ein Jahr der Rekorde“.
Erstmals in der Geschichte waren am 10. Juli 2006 mehr als 10.000 Flugzeuge gleichzeitig am Himmel über Deutschland. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden letztes Jahr 155 Millionen Menschen an deutschen Flughäfen abgefertigt – eine Zunahme um 5,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Ein Grund sind die günstigen Preise. Sie beruhen darauf, dass die wahren Kosten des Fliegens nicht bezahlt werden: Anders als auf den Treibstoff für die Taxifahrt zum Flughafen wird auf das Flugbenzin Kerosin weder Mineralöl- noch Ökosteuer erhoben. Auch ist der Flugverkehr bisher nicht in den Emissionshandel einbezogen – anders als der Zugverkehr, für dessen Strom CO2-Zertifikate notwendig sind. Klimaschäden, die durchs Fliegen entstehen, werden bisher ebenfalls nicht in Rechnung gestellt. Nur auf freiwilliger Basis ist ein Ausgleich über Anbieter wie Atmosfair (siehe Grafik) bisher möglich. Auch die Kosten für Lärmschutzmaßnahmen und -schäden tragen nicht die Verursacher, sondern die Steuerzahler und die Geschädigten. Zudem: Anders als auf Ferntickets der Bahn wird auf grenz–überschreitende Flugreisen keine Mehrwertsteuer erhoben.
Würde dieses Dumping am Himmel gestoppt und würden alle Kosten aufs Ticket aufgeschlagen, sähe der Preis deutlich anders aus. Wie deutlich, hat das Umweltbundesamt für die taz detailliert ausgerechnet. Ein Rückflugticket über Ostern nach Mallorca (3. bis 16. April mit Air Berlin), das bisher inklusive Gebühren 304 Euro kostet, würde sich um rund 40 Prozent auf 429,24 Euro verteuern. Bei diesem rund 1.300 Kilometer langen Flug werden pro Passagier in einer Maschine mit der aktuellen Technik 74 Liter Kerosin verbraucht. Schlägt man die Mineralöl- und Ökosteuer auf, wie sie in Deutschland auf Diesel erhoben wird, wären 34,81 Euro fällig. Für die Klimaschäden fallen 12 Euro an, für Luftverschmutzung 5,20 und für Lärm 4,70 Euro. Hinzu kommt die Mehrwertsteuer von 68,53 Euro. Noch größer sind die Unterschiede bei Fernreisen: Ein Urlaubsflug von Frankfurt nach Buenos Aires und zurück (vom 7. bis 21. Juli mit Lufthansa) kostet aktuell 1.342 Euro. Nach den UBA-Berechnungen stiege dieser Preis auf 2.198 Euro – ein Aufschlag um 63 Prozent.
Ob und wann solche Preise Realität werden, ist ungewiss. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) erklärte zwar gestern, dass sich die Start-und-Lande-Gebühren künftig nach der Höhe der Emissionen richten sollen. Allerdings soll die Regelung insgesamt aufkommensneutral sein – für moderne Flugzeuge soll weniger, für alte hingegen mehr bezahlt werden. Für eine Kerosinsteuer setzte sich Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) ein – allerdings nur bei einer europaweiten Einigung. Und Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) erteilte dem effektivsten Vorschlag eine Absage: Er hält Appelle zum Verzicht auf Flugreisen für „übertrieben“.