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Archiv-Artikel

„CDU hat sich zu früh gefreut“

Christa Goetsch, Fraktionschefin der GAL, über den möglichen SPD-Bürgermeisterkandidaten Naumann, die Chancen, mit ihm den CDU-Senat abzulösen, und rot-grüne Perspektiven überhaupt

CHRISTA GOETSCH, 54, arbeitete von 1980 bis 2002 als Studienrätin. Seit 1997 sitzt sie in der Bürgerschaft und ist seit 2002 Fraktionsvorsitzende der GAL.

INTERVIEW GERNOT KNÖDLER

taz: Frau Goetsch, der Zeit -Herausgeber Michael Naumann wird wohl Bürgermeisterkandidat der SPD. Passt der nicht viel besser zur GAL?

Christa Goetsch: Das kann ich nicht beurteilen, weil ich Herrn Naumann nicht kenne. Es ist gut, dass ein Kandidat gefunden wurde, der unbelastet von Grabenkämpfen ist.

Gibt es jetzt eine Chance, den CDU-Senat abzulösen?

Natürlich. Das ist eine Herausforderung für Ole von Beust. Der kommende Wahlkampf wird wieder spannend. Die CDU hat sich zu früh gefreut und muss ihren Wahlkampfetat erhöhen, anstatt ihn – wie man schon spöttisch sagte – zu halbieren.

Wird das ein inhaltlicher Wahlkampf oder einer zwischen zwei charmanten Männern?

Sicherlich sind die Duelle zwischen Bürgermeisterkandidaten Duelle zwischen Persönlichkeiten und deren Fähigkeiten, sich zu präsentieren. Aber Herr Naumann ist ja nicht nur eine Persönlichkeit, sondern jemand, der in bestimmten Bereichen viel geleistet hat, der fit ist in den Themen Medien und Kultur. Und er hat ja auch gesagt, dass ihm die soziale Spaltung in der Stadt Sorgen macht. Das ist ein zentrales Thema, bei dem er Ole von Beust angreifen kann.

Noch mehr müsste ihm ja das GAL-Leitbild der kreativen Stadt zusagen.

Da bin ich sehr gespannt, inwieweit Herr Naumann ein offenes Ohr hat. Er hat deutlich gemacht, dass er eine Stadt will, die nicht nur wächst, sondern zusammenwächst. Für unser Leitbild, das ja einen Paradigmenwechsel beinhaltet, indem es auf Bildung und das Schaffen kreativer Potentiale setzt, ist er sicher wesentlich empfänglicher als manch anderer. Hier könnte es schwierig werden, sich voneinander abzugrenzen. Ein Thema, in dem wir uns von der SPD unterscheiden, ist die Bildungspolitik: Darin vertreten wir fortschrittlichere Positionen. Das wird wahrscheinlich das Thema neben dem Klimaschutz sein.

Ergibt das einen rot-grünen Aufbruch wie bei der Bundestagswahl 1998?

Das ist nicht der Zeitpunkt, um das sagen zu können. Wir haben als Grüne seit 2004 unser eigenes Konzept verfolgt. Ich gehe nicht davon aus, dass das ein Lagerwahlkampf wird, sondern dass jeder dazu beiträgt, die absolute Mehrheit der CDU zu brechen. Und dafür zu sorgen, dass überhaupt erstmal eine Wechselstimmung in der Stadt aufkommt.

Ist die Option einer schwarz-grünen Koalition auf Landesebene hinfällig?

Wir schließen grundsätzlich nichts aus. Wie alle Umfragen uns intern zeigen, ist für uns Rot-Grün die erste Option. Aber die wird ja jetzt erst wieder greifbar durch so eine Persönlichkeit wie Herrn Naumann.

Hätten Sie einen Wunsch an ihn?

Es ist wichtig, dass man offen und fair miteinander umgeht, und ich gehe davon aus, dass er das souverän macht. Ich werde ihn daran messen, ob er zum Espresso herunterkommt zu mir, hier im Pressehaus am Speersort, wo wir beide unsere Büros haben.

Einen politischen Wunsch?

Dass er sich der Menschheitsfrage öffnet, die ansteht: dem Klimaschutz. Und dass er dabei nicht am Pseudo-Ausweg Atomenergie festhält.