: Wieder blond, welch Spaß!
Kein Kid in America mehr, aber noch gut bei Stimme: Kim Wilde sang im Kesselhaus
Ihr Duett mit Nena stieg 2003 noch hoch in die Charts ein. Trotzdem: Man hat Kim Wilde hierzulande fast vergessen. Dabei war sie eigentlich nie richtig weg vom Fenster. In den 90ern veröffentlichte sie zwei Alben, die mehr oder weniger floppten, dann Heirat, zwei Kinder. Im englischen TV gibt die ausgebildete Landschaftgärtnerin außerdem regelmäßig in Gummistiefeln Tipps zur Gartenpflege.
Nun erschien im letzten Jahr das offizielle Comeback-Album mit dem programmatischen Titel „Never Say Never“. Als Produzent fungierte Nena-Musiker und Ex-„Popstars“-Juror Uwe Fahrenkrog-Petersen. Wie zu erwarten, hat er der Produktion nicht gut getan und beim Entstauben die alten Synthiepopsongs mit der Brechstange auf Dancefloorformat umgebogen.
Im Kesselhaus der Kulturbrauerei steht Kim Wilde am Mittwochabend als leibhaftiges 80er-Zitat auf der Bühne: Wuschelmähne, asymmetrisch geschnittenes T-Shirt, Schweißband, Röhrenjeans, Nietengürtel. Sie ist sehr gut bei Stimme, die neuen Songs sind rockig und doch dem klassischen Gute-Laune-Pop der 80er verpflichtet. Ganz fürsorglich ist Kim Wilde zu ihrem Publikum, fragt ob es in Ordnung sei, wenn sie sowohl alte als auch neue Stücke spiele und ruft: „It’s so much fun to be blonde again!“
Auch mit 46 taugt sie noch zum Rolemodel: Nicht mehr jung, aber auch nicht alt, sympathisch wie die patente Nachbarsfrau. Immer wieder reckt sie die Faust beim Singen – nicht mit gestrecktem Arm, sondern wie bei einer Aerobic-Übung, mehrmals hintereinander aus dem Ellbogen heraus. Das Kesselhaus ist brechend voll. Das Publikum, sämtlich im Zeitzeugenalter, klatscht gern mit und gegen den Rhythmus mit. Es ist das letzte Konzert von Kim Wildes Deutschlandtour, und es war natürlich ganz toll in Deutschland. Auf die Leinwand hinter der Bühne werden ihre Popheftchen-Schlagzeilen aus den 80ern projiziert, und man erinnert sich: Diese aufgetürmten Haare, dieser schmachtende Sexappeal im Geist der New Romantics!
CHRISTIANE RÖSINGER