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Archiv-Artikel

Wir führen eine Fernbeziehung

GRÜNZEUG IV Blumen, Sonne, Liegestuhl: Das Einzige, was in meinem Garten fehlt, bin ich

Dieser Tage ist es schon anstrengend. Fast jeden Tag hat es geregnet. „Gut für den Garten“, hat meine Oma früher immer gesagt. Ja, stimmt, Oma, gut für den Garten, der Regen. Aber mein Rasenmäher jault ganz schön rum, wenn ich ihn durch das nasse Augustgras zwinge. Es wird einfach nicht mehr richtig trocken, jetzt im Spätsommer.

Aber es hilft nichts – so ein Rasen muss regelmäßig gemäht werden. Und wenn ich eine Stunde später das orangerote Kabel wieder aus der Steckdose ziehe, es zusammenlege und an seinen Haken hänge, bin ich sehr, sehr froh. Zufrieden begutachte ich das wiederhergestellte Gleichmaß der Grashalme. Alle Gänseblümchen abgefatzt; bist zum nächsten Mal werdet ihr wieder blühen. Und da hinten ist die Kante nicht ganz sauber rasiert; egal, in zwei Wochen sehen wir uns wieder.

Bis dahin, das wird mir an diesem milden Spätsommersamstag wieder mal klar, werde ich nicht viel zu sehen bekommen von meinem Garten. Denn ich werden jeden Tag arbeiten gehen. Morgens werde ich mein Fahrrad zum Tor schieben. Die taufeuchten Stauden streichen mir dann über die Waden. Tag für Tag bin ich wehmütig, nicht bleiben zu können. Aber ich muss zur Bahn radeln, die wartet nicht.

Irgendwann, so mit dreißig Jahren, wollte ich einen Garten haben. Ich wollte in der Erde buddeln, meine Kinder sollten Erdbeeren haben und ich Salbei und Schnittlauch. Ich wünschte mir einen Rasen, ein paar Stauden und Gräser und Kräuter. Obstbäume. Und einen Liegestuhl. In dem wollte ich sitzen, Kaffee trinken und mit der Zeitung rascheln.

Inzwischen ist es soweit. Ich habe den Garten, den ich wollte. Und ich habe einen Liegestuhl. Aber seltsam, er steht zusammengeklappt in der Ecke. Ich brauchte Platz, um den Rasen mähen zu können. Und weil ich weiß, dass ich bis zum nächsten Mal keine Zeit finden würde zum Sitzen und Rascheln, lasse ich den Stuhl dort stehen.

Mit mir und meinem Garten ist es ein bisschen wie in einer Fernbeziehung. Man freut sich aufeinander und eilt zueinander. Aber dann ist Samstag, und man braucht den Tag, den man mit Nichtstun verbringen wollte, um zu Ikea zu fahren. Schließlich muss endlich die Couch gekauft werden, auf der man in der gemeinsamen Zukunft lümmeln wird. Weil man schon da ist, kauft man noch dieses Bücherregal, und ach, egal, man schraubt es noch zusammen. Und dann ist das Wochenende um und der Zug wartet nicht. Wir sehen uns ja bald wieder.

So ist das mit meinem Garten. Ein schöner, aufgeräumter Ort. Wer fehlt, bin ich. ANJA MAIER