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Archiv-Artikel

Fische im Zen-Teich

GRÜNZEUG III Ein lehmiges Stück Erde im dunklen Hinterhof kann auch ein Garten sein

Ich schaue meinen brasilianischen Mitbewohner Gustavo entgeistert an. Dass er seine kostbare Freizeit der Gestaltung unseres Gartens widmet, freut mich normalerweise. Ist unser Garten doch ein dunkles Stück lehmiger Erde im Hinterhof – komplett abgegrenzt zwar durch Fahrradschuppen und Zaun, aber doch eben kein Innenstadtidyll, wie man sich das wünschen mag.

„Einen Teich? Das ist verboten. In Deutschland ist so etwas verboten.“ Ich habe keine Lust auf Ärger mit dem Vermieter. „Nein“, sagt Gustavo. „Ich habe nachgelesen. Ich werde ein Loch buddeln. Wir brauchen nur einen Schlauch, eine Plane und dann das wichtigste: Fische.“

Ich lasse ihn walten. Eine Woche später verkündet er, wir könnten am Wochenende zur Teicheinweihung laden. Ich nehme seine Ansage ernst und erzähle meinen Freunden davon. Keiner glaubt mir, dass es um einen Teich in unserem Hinterhof in Prenzlauer Berg geht.

An besagtem Tag ist ein Loch im Garten. Es ist fast einen Meter tief und ebenso breit. Mehr nicht. Wir feiern zwar keine Teicheinweihung, aber einen netten Grillabend, die Nachbarn werfen Wasserbomben auf uns. Wir lassen uns nicht stören, sitzen auf Sperrmüllmöbeln, hören klimpernde Windspiele, sehen Fähnchen flattern und fein säuberlich angelegte Beete. Auch wenn darin kaum etwas wächst, weil die Sonne den Weg durch die tiefen Häuserschluchten nicht findet, gärtnert Gustavo mit Leidenschaft.

Jetzt hat er Terrassen angelegt, sie mit weißen Kieseln gefüllt. Und – wie immer wieder, seit Jahren – Pflanzen gepflanzt, die bald wieder eingehen werden. Die weißen Steine hat er gekauft, im Gegensatz zu den Platten, mit denen er Teile des feuchten Bodens bedeckt hat. Die kommen von der Baustelle vor unserem Haus. Ebenso wie das Holz, das den Teich einrahmt. Das ganze hat jetzt etwas von Zen-Garten. Chibi, der Hund mit japanischem Namen, markiert die weißen Steine.

Zwei Tage später hat der Teich eine Plane und eine Pumpe. Und wird aus dem Badfenster heraus mit Wasser gefüllt.

Einen weiteren Tag später lebt eine riesige Seerose in unserem Gewässer. Ein Mitbringsel vom Liepnitzsee.

Und schließlich, an einem Montag im Juni, kommen die Fische. Fünf Goldfische.

Sie wirken glücklich, manchmal sieht man sie. Häufig dann, wenn man sie füttert. Mein Versuch, sie zu streicheln, endet mit einem Biss in den Finger.

Gustavo und ich haben das perfekte Gartenidyll geschaffen. Fragil und temporär begrenzt. Wir sitzen im Garten, der Teich plätschert, die Blumen blühen, die Fähnchen flattern. Bis ein Nachbar von oben ruft: „Der Teich plätschert zu laut!“ NICOLA SCHWARZMAIER