Lenin gehört eben dazu

DENKMALDEBATTE

Sich nun hinzustellen und zu sagen, aus „denkmalschützerischen Gründen“ solle der Kopf im Boden bleiben, ist schon dreist

Als Kunstwerke sind Denkmäler nicht besonders interessant. Stilistisch zumeist dem Mainstream ihrer Zeit verhaftet, sind sie dazu gedacht, dem Auftraggeber oder einer anderen Person Unsterblichkeit zu verleihen. Das führt fast zwangsläufig zu Kitsch und Propaganda.

Das Berliner Lenin-Denkmal von Nikolai Tomski ist hier keine Ausnahme: Das 19-Meter-Monument aus rotem Granit, das von 1970 bis 1991 am damaligen Leninplatz in Friedrichshain stand, ist ein Paradebeispiel der Verherrlichung im Stile des sowjetischen Realismus. Ein großes Kunstwerk dürfte das heute kaum jemand nennen. Als Denkmal aber sagt uns Lenin heute mehr denn je: Denn Denkmäler sind nicht nur Ausdruck des Selbstbildes ihrer Entstehungszeit – auch der spätere Umgang mit ihnen ist ein Spiegel der politischen Machtverhältnisse.

Der Versuch des Landesdenkmalamts, die öffentliche Präsentation dieses Lenin beziehungsweise seines Kopfes zu verhindern, sagt daher einiges darüber aus, wie sich unsere Elite die Berliner Stadtgeschichte am liebsten malen würde: ohne das sozialistische Interregnum im Ostteil.

Wenn es insofern je Zweifel daran gab, ob dieser monumentale Lenin in eine Ausstellung über den Umgang Berlins mit seinen Denkmälern passt: Nach dem Verbot, ihn auszugraben, ist der verflogen. Lenin muss gezeigt werden – und die Geschichte, wie man sich ihm bis heute zu entledigen versucht, gehört direkt daneben gestellt.

Vielleicht ist es den Mächtigen heute peinlich, wie sie 1991 den alten Kommunisten-Kopf zersägen und verbuddeln ließen. Aber nun zu sagen, aus „denkmalschützerischen Gründen“ solle der Kopf im Boden bleiben, ist schon dreist. Dieselbe Behörde hat den Koloss nach der Wende von der Liste der Berliner Denkmäler gestrichen – will sie nun etwa ein Nicht-Denkmal schützen? Wo ihr noch dazu jahrzehntelang schnurz war, dass Souvenirjäger dem Monument zu Leibe rückten.

Dies wäre hoffentlich ohnehin in der Ausstellung zur Sprache gekommen, die im nächsten Jahr eröffnen soll. Dank des Grabungsverbots gibt es die Debatte um Berlins Umgang mit seinen teilweise unliebsamen Denkmälern schon jetzt. Höchste Zeit, dass auch die Honoratioren der Stadt erkennen: Lenin gehört zu Berlin. Ob es ihnen passt oder nicht. SUSANNE MEMARNIA