: Was machen Sie, wenn …
WAFFEN Wurden früher Panzer an die Türkei geliefert, die in Kurdengebieten zum Einsatz kamen, sollen heute Kurden bewaffnet werden, um gegen Islamisten zu kämpfen. Und natürlich wird die Frage nach der Alternative gestellt. Gibt es keine andere Lösung?
Diffamierung
■ betr.: „Deutsche Waffen für die Kurden?“, taz vom 20. 8. 14
Es ist alles andere als selbstverständlich, dass Deutschland Waffen in ein Krisengebiet liefert, erst recht, wenn dort aktuell gekämpft wird. Es ist ja wohl so, dass seit Bestehen der Bundesrepublik mit gutem Grund keine Waffen in Krisengebiete geliefert werden. Unerträglicherweise diffamiert Cohn-Bendit auch noch Parteifreunde und andere Politiker, wenn er die Tatsache, dass diese sich stark gegen Waffenlieferungen aussprechen, als peinlich und beschämend bezeichnet. Immerhin ist auch die deutsche Bevölkerung überwiegend gegen Waffenlieferungen. Wenn mit einer deutschen Waffe, die die IS erbeutet, ein Mensch getötet wird, hat dann nur der Schütze Schuld auf sich geladen? Die Debatte über Waffenlieferungen ist nachvollziehbar, aber sie erinnert stark an die Frage, die dem Kriegsdienstverweigerer gestellt worden ist: Was machen Sie, wenn Sie sehen, dass im Wald jemand Ihre Freundin missbraucht oder töten will? Auf manche Fragen gibt es keine richtigen oder falschen Antworten, Herr Cohn-Bendit. MATTHIAS GANSER, Frankfurt am Main
Beschwerlich
■ betr.: „Deutsche Waffen für die Kurden?“, taz vom 20. 8. 14
Deutschland entwickelt sich zu einem „normalen“ Land. Leider. Waren bisher Vorbehalte vorhanden, Waffen in Krisengebiete zu liefern, so sind die jetzt wohl dahin. Sogar die Verfassung legt uns Zurückhaltung in dieser Frage auf, doch in der Gesellschaft beginnt deren Demontage – mit Hilfe der Regierung und sogar des Präsidenten. Das ist erschreckend. Wir sollten uns stattdessen überall dafür stark machen, eben keine Waffen zu liefern, sondern ausschließlich Hilfsgüter, medizinische Ausrüstung und Lebensmittel. Es ist nur eine Show, ein paar Bundeswehrflugzeuge mit wenigen Tonnen solcher Güter loszuschicken, anstatt eine Luftbrücke mit Frachtjumbos einzurichten, von denen jeder Flug ein Mehrfaches an Tonnage bewegen kann. Es wäre nicht nur Sand in die Augen der Öffentlichkeit. Dem Vorwurf, die Deutschen drücken sich vor der Verantwortung, sollten wir selbstbewusst begegnen: Wir helfen, wir bauen auf – wir zerstören nicht. Wenn andere Völker sich auf diese Aussage verlassen können, dann ist das eine Basis, mit der man deutlich besser leben kann als mit kriegerischen Methoden. Die wurden seit Jahrtausenden angewandt, sie haben zu nichts geführt. Es wird Zeit umzudenken. Manche mögen das als romantische, pazifistische Träumerei abtun, es sollte uns nicht davon abhalten, es zu versuchen. Solch eine Position offensiv zu vertreten – das ist keine Drückebergerei, es wäre vor allem eines: unbequem, beschwerlich. Es ist niemand an verantwortlicher Stelle zu sehen, der diese Position vertreten mag, weder die christlich orientierten Unionsparteien noch die Sozialdemokraten. Sie verraten ihre eigenen Grundsätze. LOTHAR WINKELHOCH, Gummersbach
Eitel und zynisch
■ betr.: „Im moralischen Grenzbereich“, taz vom 21. 8. 14
Eine irakische Regierung, die sich in Anbetracht der ungeheuerlichen Verbrechen, die nichts mit Krieg zu tun haben, in eitlen Hahnenkämpfen ergeht, anstatt die bedrängte Bevölkerung zu schützen, ist wohl nicht mehr der rechte Ansprechpartner. Ich denke auch, dass es höchste Zeit wird, dass die Kurden ihren unabhängigen Staat bekommen. Sie sind in dieser Gegend ein autochthones Volk, das im Laufe der Geschichte immer wieder von einfallenden Gruppen dominiert wurde. Für die Palästinenser fordern wir das doch auch, obwohl es Leute gibt, die Jordanien als Palästinenserstaat ansehen. Sollen die Kurden denn nun dafür bestraft werden, dass sie, anstatt Waffen zu horten, ihre Mittel in Infrastruktur für die Bevölkerung investiert haben? Manchmal nervt mich dieses eitle, zynische Gutmenschengetue. ELVIRA BÜCHNER, Freiburg
Präzedenzfall
■ betr.: „Im moralischen Grenzbereich“, taz vom 21. 8. 14
Wenn die Bundesregierung ernsthaft in einen Konflikt, aktuell in den Kampf gegen IS, eingreifen will, so sollte sie bewaffnete Truppen mit einem stabilen Kampfauftrag entsenden, denn damit würde sie, innerhalb gewisser Grenzen, die Kontrolle über das Geschehen behalten. Dies ist bei Waffenlieferungen nicht der Fall. Die Lieferung von Waffen an die kurdischen Kämpfer schafft einen Präzedenzfall. Es gibt derzeit, so weit ich weiß, mehr als 40 bewaffnete Konflikte auf der Erde; bei vielen geschehen Gräueltaten. Das Liefern von Waffen auch in diese Konfliktgebiete wäre dann nur konsequent. ROLAND BENZ, Frankfurt am Main
Vertrackt
■ betr.: „Deutsche Waffen für die Kurden?“, taz vom 20. 8. 14
Ein ausgezeichneter Beitrag zu dieser vertrackten Diskussion und wieder ein Beispiel für die besondere Qualität der taz. Nachdem ich die beiden sehr guten Texte zu Contra und Pro gelesen hatte, fiel mir folgende Zen-Geschichte ein: Die Mönche eines Klosters führten einen heftigen Streit über eine Grundsatzfrage. Schließlich baten sie ihren Meister um Entscheidung. Ein Mönch trug die Position A vor, und der Meister sagte: „Du hast recht.“ Dann trug ein anderer Mönch die Position B vor, und wieder sagte der Meister: „Du hast recht.“ Da empörte sich ein dritter Mönch: „Aber es können doch nicht beide recht haben!“ Darauf sagte der Meister: „Auch du hast recht.“ GERHARD BREIDENSTEIN, Murrhardt
Gerettet von der PKK
■ betr.: „Deutsche Waffen für die Kurden?“, taz vom 20. 8. 14
Daniel Cohn-Bendit sagt: „Es ist natürlich richtig, dass die Flüchtlinge Zelte, Wasser und Nahrung brauchen. Aber wie haben die Kurden es geschafft, dass Zehntausende Jesiden aus den Bergen fliehen konnten? Mit Waffen, dank US-Drohnen und Flugzeugen.“ Die Kurden, die hier angesprochen werden, sind größtenteils Kämpfer der PKK und ihr syrischer Ableger YPG (Volksverteidigungseinheiten), die die jesidischen Kurden aus den Sindschar-Bergen gerettet haben. Verfolgt man die Meldungen, erkennt man, dass die Peschmerga der nordirakischen Autonomie die Stadt fluchtartig verlassen haben und die PKK aus den 400 Kilometer entfernten Kandil-Bergen geeilt ist, so wie die YPG aus dem syrisch-kurdischen Teil Rojava. Diese beiden Guerilla-Kräfte waren es auch, die den Korridor nach Syrien freigekämpft haben und weiterhin die verbliebenen Jesiden in den Sindschar-Bergen verteidigen. Darüber hinaus ist es ebenfalls der PKK zu verdanken, dass bis heute die Städte Erbil und Mahmur nicht gefallen sind, wodurch viele Flüchtlinge aus allen Teilen des Iraks geschützt wurden. Die These, die sie auf der Titelseite aufgestellt haben, ist klein, aber mit großer Wirkung auf den weiteren Verlauf Ihrer Argumentationen. VOLKAN DELIBAS, Köln
The Iron Dome is not working
■ betr.: „Die Verteidigung der Bunker“, taz vom 1. 8. 14
In Ihrem Bericht wird, wie schon zuvor, auf die Wirksamkeit des israelischen Raketenabwehrsystems Iron Dome (Eisenkuppel) verwiesen. Sie zitieren den Brigadegeneral Michael Herzog: „Der Iron Dome hat eine Trefferquote von 90 Prozent.“
Zur Effektivität von Iron Dome gibt es aber ganz andere Aussagen. Professor Theodore Postol vom Massachusetts Institute of Technology (MIT), der nach dem Golfkrieg bereits die Trefferquoten des Patriot-Systems durch eigene Untersuchungen auf wenige bis null Prozent beziffert und damit Recht behalten hat, kommt zu dem Schluss, dass die Trefferquote von Iron Dome wohl nur bei fünf Prozent liegt – oder sogar darunter. Nachzulesen ist dies in seinem Beitrag „The evidence that shows Iron Dome is not working“ vom 19. 7. 2014 in der renommierten US-Fachzeitschrift Bulletin of the Atomic Scientist (thebulletin.org).
Durch ständige Wiederholung der israelischen Angaben werden diese nicht wahrer. Allerdings haben die Zahlen Israel geholfen, vom US-Kongress nun nochmals mehr als 500 Millionen US-Dollar Unterstützung für das Raketenabwehrsystem zu erhalten. REGINA HAGEN, Darmstadt
Eine Art Polit-Alzheimer
■ betr.: „Rot-Grün liefert Panzer an die Türkei“, taz vom 21. 10. 99
„Wenn ich das richtig sehe, werden Panzer auch in der Türkei nicht unbedingt zur Schülerbeförderung eingesetzt“, meinte kürzlich der SPD-Europaparlamentarier Willi Piecyk sarkastisch.
In einem Zeitungsinterview Anfang Oktober erklärte die bündnisgrüne Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Deutschen Bundestag, Claudia Roth: „Wenn denn Menschenrechte Leitmotiv deutscher Außenpolitik sein sollen, dann kann der Bundessicherheitsrat nur Nein sagen. Ein Ja wäre ein außerordentlich kontraproduktives Zeichen. Ich denke, die Türkei braucht ganz andere Unterstützungen auf dem Weg zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.“
Dass türkische Militärs seit Jahrzehnten gegen die kurdische Bevölkerung schwere deutsche Waffen einsetzen, wussten alle Verantwortlichen. Sozialdemokraten wie Grüne haben während der Regierungszeit Kohls die Waffenlieferungen noch scharf missbilligt und als heuchlerisch verurteilt. Heute scheint ihr Gedächtnis einer Art Polit-Alzheimer zum Opfer zu fallen.
Die Panzereinsätze wurden jedoch auch von Bremer Menschenrechtlern wie Walter Ruffler oder Arendt Hindriksen gesehen und angeprangert. Doch „vitale Interessen“ der Nato kommen wohl vor jeder Moral, wenn 1.000 zusätzliche Panzer an ihrer Südflanke „freie Zugänge zu Rohstoffquellen“ sichern sollen.
Es ist erfreulich, dass die hanseatischen Landesvorstände von SPD und Grünen Gegenaktionen planen. Wir Friedensbewegte sollten dies heftig unterstützen! WIELAND VON HODENBERG, Bremen (Dieser Leserbrief wurde zum ersten Mal in der taz vom 2. 11. 99 veröffentlicht)