: Tschechien lädt zu Forum über Atomkraft
Während aus Temelin schon wieder ein Störfall gemeldet wird, fordert Prag eine „objektive“ AKW-Debatte
BRÜSSEL taz ■ „Your Excellency, dear José Manuel“, schrieb Tschechiens Premierminister Mirek Topolánek anlässlich des Klimagipfels an Kommissionspräsident Barroso. „Nachhaltige, sichere und wettbewerbsfähige Energieträger“ müssten gefördert werden, darin sei sich die tschechische Regierung mit der EU-Kommission einig. Man teile auch voll und ganz die Meinung, „dass nukleare Energie eine der wichtigsten CO2-freien Energiequellen ist, die dazu beiträgt, Treibhausgase zu reduzieren“.
Für alle anderen Energieformen gebe es ja schon Diskussionsforen und Debattierkreise, nur für die Atomenergie nicht. „Die tschechische Republik würde sich geehrt fühlen, in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission ein Forum in Prag zu organisieren, das eine Plattform für eine offene, professionelle und objektive Diskussion über künftige Chancen und Grenzen der Nuklearenergie sein würde.“ Vertreter der Mitgliedstaaten, der Industrie, der Verbraucher und internationaler Organisationen würden dazu eingeladen.
Der Vorsitzende des Europaausschusses im tschechischen Parlament, der grüne Abgeordnete Ondrej Liska, sieht den Vorschlag des Regierungschefs mit Misstrauen. Er erinnert daran, dass im Koalitionsvertrag mit den Grünen festgeschrieben wurde, keinen weiteren Ausbau der Atomenergie zu betreiben. „Man kann in einem Forum über die Risiken der Atomkraft diskutieren. Wenn in diesem Forum aber auf verdecktem Weg versucht wird, diese Technik weiter voranzutreiben, ist das für uns nicht akzeptabel.“
Topoláneks Brief erreichte Barroso ungefähr zu dem Zeitpunkt, zu dem aus dem AKW Temelin ein Störfall gemeldet wurde. Die Leiterin der tschechischen Behörde für Nuklearsicherheit bezeichnete die Häufigkeit der Störfälle gestern als „inakzeptabel“.
Wirtschaftsstaatssekretär Joachim Würmeling allerdings glaubt, dass die Kernkraftdebatte in Europa nun neu eröffnet wird. Auch dabei können sich Länder, die das wollen, auf die Beschlüsse des gestrigen Gipfels berufen. In der Schlusserklärung wird „der Beitrag der Nuklearenergie bei der wachsenden Sorge um Energiesicherheit und CO2-Reduzierung“ ausdrücklich anerkannt.
DANIELA WEINGÄRTNER