: Gbagbo streckt die Waffen
KRIEG Mit Luftangriffen ebnen UNO und Frankreich der Armee Ouattaras den Weg zum Sieg in Abidjan. Die Armee des Expräsidenten Gbagbo stellt den Kampf ein, aus dem Bunker heraus verhandelt er über sein Schicksal
■ Dezember 1993: Nach dem Tod des Landesvaters Felix Houphouet-Boigny, der die Elfenbeinküste seit 1960 regierte, setzt sich als Nachfolger Parlamentspräsident Henri Konan Bédié gegen Premierminister Alassane Ouattara durch.
■ Dezember 1999: Militär unter General Robert Guei stürzt Bédié.
■ Oktober 2000: Guei verliert die Präsidentschaftswahl gegen den sozialistischen Oppositionsführer Laurent Gbagbo, der seinen Wahlsieg per Volksaufstand durchsetzen muss. Ouattara und Bédié durften nicht kandidieren.
■ September 2002: Meuternde Militärs scheitern mit einem Putschversuch, übernehmen aber die Kontrolle über die Nordhälfte des Landes. Gbagbo bleibt die Südhälfte. Französische Eingreiftruppen verhindern Gbagbos Sturz. Sie ziehen in den Folgemonaten eine UN-überwachte Waffenstillstandslinie.
■ März 2007: Friedensabkommen auf Vermittlung Burkina Fasos. Rebellenführer Guillaume Soro wird Premierminister und soll die beiden Armeen verschmelzen und freie Wahlen organisieren.
■ 31. Oktober/28. November 2010: Gbagbo gewinnt die erste Runde der Präsidentschaftswahl, muss aber in die Stichwahl gegen Ouattara, der vom Drittplatzierten Bédié unterstützt wird.
■ 2. Dezember 2010: Wahlkommission erklärt Ouattara zum Wahlsieger mit 54,1 Prozent.
■ 3. Dezember 2010: Auf Einspruch Gbagbos annulliert das Verfassungsgericht ohne Prüfung Teilergebnisse und erklärt Gbagbo zum Wahlsieger mit 51,4 Prozent. Die UNO, die laut Friedensabkommen die Wahl in letzter Instanz prüft, erkennt Ouattaras Sieg an.
■ 4. Dezember 2010: Gbagbo und Ouattara lassen sich als Präsident vereidigen – Gbagbo im Präsidentenpalast, Ouattara im Hotel du Golf. Premierminister Soro bleibt unter Ouattara im Amt. In den Folgetagen erkennen die Afrikanische Union und die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ouattara an.
■ 16. Dezember 2010: Dutzende Tote bei Niederschlagung von Protesten der Anhänger Ouattaras in Abidjan. Das Hotel du Golf wird von Gbagbos Armee abgeriegelt und von UN-Blauhelmen geschützt. Gbagbo-Milizen töten in den Folgetagen weitere Ouattara-Sympathisanten in Abidjan.
■ Januar 2011: Erste internationale Sanktionen gegen Gbagbo.
■ Februar 2011: Afrikanische Vermittlungsmissionen scheitern. Im Norden Abidjans bilden sich bewaffnete Selbstverteidigungsgruppen, die sogenannten „Unsichtbaren Kommandos“, gegen Gbagbos Milizen.
■ 3. März 2011: Gbagbos Armee beschießt Frauendemonstration mit schwerer Artillerie, Auftakt einer Reihe von Massakern mit Dutzenden Toten.
■ 10. März 2011: Die Afrikanische Union bestätigt endgültig Ouattara als Präsident.
■ 17. März 2011: Ouattara erklärt die nordivorischen Rebellen offiziell zu seiner Regierungsarmee FRCI (Republikanische Streitkräfte der Elfenbeinküste). Diese beginnen in den Folgetagen, im Westen des Landes die Waffenstillstandslinie zu überqueren.
■ 28. März 2011: FRCI-Großoffensive auf den Süden der Elfenbeinküste beginnt. Außer in der Stadt Duékoué, wo hunderte Menschen sterben, zieht sich Gbagbos Armee kampflos zurück.
■ 1. April 2011: Erste FRCI-Einheiten erreichen Abidjan. (taz)
VON DOMINIC JOHNSON
Es bedurfte schließlich doch des ausländischen Eingreifens. Kampfhubschrauber der UN-Blauhelmmission und der französischen Eingreiftruppe in der Elfenbeinküste flogen in der Nacht zu Dienstag Luftangriffe auf Stellungen der Truppen des früheren Präsidenten Laurent Gbagbo in Abidjan. Daraufhin konnten die Kämpfer des gewählten Präsidenten Alassane Ouattara im Laufe des Tages die wichtigsten verbliebenen Positionen des Gegners erobern. Am Nachmittag erklärten hochrangige Mitstreiter Gbagbos, der Krieg sei beendet. Gbagbo, erklärte die UN-Mission, befinde sich mit einer Handvoll Getreuen im Bunker seiner Residenz.
„Der Krieg ist aus“, sagte Gbagbos Außenminister Alcide Djédjé am Dienstagnachmittag in einem telefonischen Fernsehinterview aus der Residenz des französischen Botschafters direkt neben Gbagbos Residenz. Man habe die ganze Nacht verhandelt und am späten Vormittag eine Einigung gefunden: Gbagbos Streitkräfte legen die Waffen nieder, „sie werden sich in Lagern sammeln, unter der Aufsicht der UN-Mission, und Gbagbos Residenz wird von der UNO geschützt“.
Man habe die Kämpfe eingestellt, erklärte auch Gbagbos Generalstabschef Philippe Mangou, und die UNO um einen Waffenstillstand gebeten, „um die Bevölkerung, die Militärs und den Präsidenten, seine Familie und seine Regierungsmitglieder zu schützen“. Mangou hatte zwischen Mittwoch und Sonntag in der Residenz des südafrikanischen Botschafters Zuflucht gesucht; danach war er zwar wieder an seinen alten Posten zurückgekehrt, aber offenbar nur noch, um die Waffen auch offiziell zu strecken.
Die nächtlichen Luftangriffe zerstörten nach UN-Angaben vor allem die Munitionslager und schweren Artilleriestellungen der Gbagbo-Streitkräfte im Gendarmeriecamp Agban. Von dort aus hatten diese den vom Norden Abidjans aus anrückenden Ouattara-Kämpfern tagelang den Weg versperrt. Die Ouattara-treue Armee FRCI (Republikanische Streitkräfte der Elfenbeinküste) war am vergangenen Freitag nach einer Blitzoffensive durch das halbe Land in Abidjan eingerückt, konnte die Millionenstadt aber nicht halten.
Ihre 5.000 Kämpfer zogen sich im Laufe des Wochenendes zurück und erhielten Verstärkung von 4.000 weiteren Soldaten, die sich am Montag am nördlichen Stadtrand sammelten. Am späten Nachmittag setzten sie sich in Bewegung, und mit Einbruch der Dunkelheit ebneten die Luftschläge der UNO ihnen den Weg. Dichter Rauch hing im Abendhimmel über Abidjan, erleuchtet von den Flammen brennender Munitionsbestände.
Der Beschuss oppositioneller Stadtviertel mit Artillerie durch Gbagbo-Truppen hatte in den vergangenen Wochen zahlreiche Tote gefordert. Auch das UN-Hauptquartier, UN-Patrouillenfahrzeuge und medizinische Hilfskonvois seien angegriffen worden, erklärte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon am Montag. So wurden alle Artilleriestellungen Angriffsziele, auch die beim Präsidentenpalast und bei der Präsidentenresidenz.
Ob diese Angriffe auch zivile Opfer gefordert haben, blieb gestern offen. Gbagbos Militärführung hatte in den vergangenen Tagen die Gbagbo-treuen „patriotischen“ Milizen dazu aufgerufen, sich vor dem Palast und der Residenz zu versammeln, um diese zu schützen – ein sicheres Todeskommando, denn die meisten Milizionäre sind nur rudimentär an der Waffe ausgebildet und haben keine Schutzkleidung. Es schien eine Strategie zu geben, die Bevölkerung in den Krieg einzubeziehen. Am Montag, kurz vor dem FRCI-Einmarsch, hatten Milizionäre die Menschen im Stadtzentrum aufgefordert, sich in der katholischen Kathedrale zu versammeln und zu beten. Das Gbagbo-kontrollierte Staatsfernsehen sendete in seinen letzten Stunden, bevor ein Luftangriff seinen mobilen Sendewagen ausschaltete, Aufrufe an die Bevölkerung, Bibelpassagen über die Apokalypse zu lesen.
Ob jetzt in Abidjan Frieden einkehrt, hängt davon ab, ob die Milizen auch ohne Gbagbo weiterkämpfen. Auf Videos waren bereits in den vergangenen Tagen immer wieder Szenen zu sehen, wie Ouattaras FRCI-Truppen Gefangene in Zivilkleidung mit erhobenen Händen abführen, vermutlich Milizenangehörige an Straßensperren. Es wird aber auch berichtet, „patriotische“ Milizionäre würden Plünderungen begehen und sich im Slumviertel Yopougon verbarrikadieren.
Aus UN-Kreisen heißt es, man rechne damit, dass die verbliebenen Milizen mutmaßliche Gegner töten würden. Die humanitäre Lage in Abidjan sei „absolut dramatisch“, sagte die Sprecherin der humanitären Abteilung der UNO, Elisabeth Byrs. Verwundete könnten nicht versorgt werden, vielerorts seien Strom und Wasser abgestellt. „Die meisten Krankenhäuser funktionieren nicht, Krankenwagen auch nicht, und wenn sie fahren, werden sie beschossen.“