: Urlaub mit gutem Gewissen
Auch die touristische Branche sorgt sich ums Klima. Ist das Gerede übers Fliegen nur geschicktes Ökomarketing, wenn weltweit mit einer Verdoppelung des Flugaufkommens zu rechnen ist? Auch. Es geht darum, langfristige Perspektiven zu entwickeln
von EDITH KRESTA
Die Reisebranche boomt. Die Internationale Tourismusbörse in Berlin war nach Jahren der wirtschaftlichen Krise, Naturkatastrophen und Terror ein Erfolg. Das bestätigt auch die Reiseanalyse von 2007 der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e. V. (F.U.R.): Es herrsche stabile Urlaubsnachfrage auf hohem Niveau, das heißt: weit über 60 Millionen Urlaubsreisen ab fünf Tage Dauer. Trotz Klimawandel, der auch die Diskussionen im Tourismus bestimmt, vermeldeten auf der Tourismusbörse 10.923 Aussteller aus 184 Ländern florierende Geschäfte. Weltweit. Tourismus ist die Mobilitätsmaschinerie schlechthin. Und mit dem Erstarken asiatischer Senderländer wie China und Indien steigt die Wachstumskurve unaufhörlich.
Ist die Klimadiskussion im Tourismus also nur Augenwischerei, geschicktes Ökomarketing, wie es die TUI mit ihrem Umweltbeauftragten jahrelang glorreich inszenierte? Ist das Engagement für das Klima – Veranstalter buchen beispielsweise automatisch den Flugablass für CO2 ab – nur ein Sturm im Wasserglas? Sind abgasarme Mietautos, energiesparende Lampen und neu gepflanzte Bäumchen in der touristischen Großanlage nur ein schnöder Marketingtrick?
Sicherlich auch, aber ein Marketingtrick mit Tiefenwirkung, der das touristische Produkt qualifiziert. Und sicherlich gilt auch für den Tourismus das häufig bemühte Bild: Man möchte sich nicht den Ast absägen, auf dem man sitzt.
Die Trennlinie im touristischen Angebot verläuft zwischen billig – billiger – am billigsten und Qualität. Welche Seite die Oberhand behält, bestimmt der Verbraucher. Und da stehen die Prognosen gut. Nach Untersuchungen von F.U.R. wachsen die Urlaubsansprüche der Kunden beständig, auch was die Umweltaspekte betrifft. Umweltsensibilisierte Kunden werden auch bei der Urlaubswahl auf nachhaltige Angebote achten. Und die Veranstalter können sich diesem gesellschaftlichen Trend nicht entziehen. Genauso wie Aldi Ökoprodukte ins Regal stellt, müssen auch Reiseveranstalter auf eine breite Angebotspalette achten. Der Kunde ist König, indem er bei der Wahl seines ganz persönlichen Reiseprodukts Prioritäten setzt. Kein Ökoangebot ohne Ökonachfrage. Veranstalter sind weder altruistisch noch idealistisch, sie wollen verkaufen.
Langfristige Nachhaltigkeitsaspekte, wie regionale Entwicklung und Sozialverträglichkeit, haben sie ohnehin nicht im Blick. Sie setzen sie allenfalls marktschreierisch in Szene, wenn sie die armen Straßenkinder vor Ort mit Turnschuhen, gesponsert von Nike, unterstützen oder in Biosphärenreservaten die Rückkehr der Feldhasen fördern. Das ist Marketing. Es ist die Aufgabe von Politikern, solche marktschreierischen Aktionen geschickt für langfristige Perspektiven zu nutzen. Zum Beispiel beim Fliegen: Alle reden über den Klimakiller Nummer 1 und wollen etwas fürs Klima tun. man muss sie also beim Wort nehmen. Der beste Zeitpunkt, endlich das Kerosin zu besteuern. Damit Flugzeuge schadstoffärmer werden und wir ruhigen Gewissens fliegen.