DAS ENTSCHEIDENDE DETAIL : Der unerfahrene Heros
UNENDLICHE WEITEN Vor 50 Jahren wurde Juri Gagarin als erster Mensch ins All geschossen. Jetzt kommt raus, dass er als Pilot kaum Routine hatte
Er war der Held. Schreiben jedenfalls die Medien von heute über den Ostblock von damals. Der sowjetische Pilot Juri Gagarin flog als erster Mensch ins Weltall, am 12. April vor fünfzig Jahren. Zuvor hatten die Sowjets eine runde Konservendose und einen Hund hochgeschossen, und Gagarin schlug sich nicht schlechter als diese. Dafür wurde er in der Ostwelt nahezu gottgleich verehrt, schreiben die Medien, aber in jedes Dorf kann das nicht vorgedrungen sein, denn bei uns im Kreis Nauen, Bezirk Potsdam, heute Land Brandenburg, Speckgürtel von Berlin, habe ich damals nichts davon bemerkt.
Obwohl ich noch als zur Raumfahrteuphorie tauglich geltender Junge von neun Jahren die DDR erlebte, kann ich mich heute an kein einziges Wort zu Gagarin erinnern. Vielleicht glaubte in den 80ern keiner mehr an das Pantheon des Sozialismus, in dem übrigens auch Siegmund Jähn saß, der erste Deutsche im Weltraum. Der wurde öfter erwähnt, vielleicht weil das Honneckertum damals schon den „Sozialismus in den Farben der DDR“ ausgerufen hatte, also den roten Nationalismus.
Jedenfalls kann es mich deshalb nicht treffen, dass das russische Präsidentenarchiv jetzt bisher verschlossene Akten über Gagarins bisher so mysteriösen Tod beim Absturz eines von ihm geflogenen Jets veröffentlicht hatte und da drinsteht, dass der Heros als Pilot ein ziemlicher Anfänger war und kaum Erfahrung hatte. Seine Maschine war zudem in Teilen schrottreif und die Vorbereitung mangelhaft. „Typisch russischer Schlendrian“, stereotypisieren die Historiker Sergei Kudryaschow und Matthias Uhl. Ich denke: Was soll dieses bildungsbürgerliche Distanzieren? Was macht den Helden denn aus wenn nicht seine mangelhafte Ausbildung, deretwegen er ja überhaupt erst Held werden muss? Wenn auch nicht der meine.
DANIEL SCHULZ