: VOM WEBDESIGNER ZUM PRINTONKEL
Kai Brach, Offscreen
Ich fange mit dem Ende an: Es ist möglich, ein Magazin im Ein-Mann-Betrieb zu machen. Heute – mehr als zweieinhalb Jahre nach dem Ersterscheinungstermin von „Offscreen, a print magazine about the people behind bits and pixels“ – stehen neun Ausgaben im Regal. Ich produziere es allein in meiner Heimat Melbourne, lasse es in Berlin drucken und vertreibe es überwiegend in Amerika, Europa und Australien. Ich lebe davon. Und das ging so:
AmAnfang stand – wie überraschend – die Idee. Als Internetkind der ersten Stunde saß ich für 15 Jahre hinter meinem Bildschirm und habe für Kunden in Deutschland, den USA und Australien hunderte von Webseiten erstellt. Nach ein paar Jahren habe ich meinen Rechner durchforstet und festgestellt, dass fast nichts mehr davon im Netz zu finden war. Mehr als ein Jahrzehnt meiner Arbeit versank sukzessive im Ether des Internets. Ich wollte etwas Bleibendes schaffen. Zum Anfassen und Durchblättern. Online war mein Thema, damit kannte ich mich aus. Und daraus wollte ich etwas machen. Also packte ich meine Sachen für eine Reise um den Erdball, um die Gesichter hinter den Bildschirmen zu treffen.
Aber wie macht man ein Magazin? Als Laie in Print war das Netz mein bester Freund. Ich verbrachte einige Wochen damit, Verleger und Designer von anderen Zeitschriften online mit Anfängerfragen zu löchern. Ich kontaktierte Drucker in Australien und Deutschland, um herauszufinden, was eine erste Ausgabe kosten würde. Ich e-mailte den Leuten, die ich auf meiner Reise kennenlernte und fragte, ob sie ihre Unternehmer-Geschichten in Worte fassen wollen – online, per Google Docs. Währenddessen registrierte ich mich auf einer E-Learning- Plattform, um Indesign zu lernen und meinem Magazin eine visuelle Identität zu geben. Mit diesem Setup schuf ich den ersten Dummy von Offscreen: Das Magazin, das die menschliche Seite des Internets und das taktile Erlebnis eines gedruckten Magazins verbindet.
Nach drei Monaten Arbeit kam er, der Postbote mit dem Umschlag. Druckfrisch, ungestrichenes Papier, nach Farbe duftend – mein erstes Offscreen Mag. Natürlich war diese erste Ausgabe alles andere als perfekt, aber immerhin hatte ich den Sprung vom Webdesigner zum Herausgeber eines gedruckten Magazins geschafft. Nun musste ich die 3.000 Exemplare „nur noch“ verkaufen. Und so schloss sich der Kreis zum Internet wieder. Ich baute eine Website und kontaktierte erneut alle meine Online-Kontakte, um den Launch des Magazins und der Website über Social Media und Blogs zu promoten. Innerhalb weniger Wochen ging mehr als die Hälfte über den digitalen Ladentisch. Durch das Feedback von Lesern erfuhr ich nach und nach, dass mein Konzept „Erholung vom Screen“ aufging.
Heute weiß ich, dass Magazinmachen mit Nostalgie wenig zu tun hat. Regelmäßig eine Zeitschrift herauszubringen, ist sehr viel Arbeit, die viele schlaflose Nächte bereitet, und unterm Strich wird man nicht gerade reich. Seine eigene Zeitschrift in Buchläden weltweit zu finden und von den Lesern regelmäßig herzensvolle Danksagungen zu erhalten, macht das aber mehr als wett. Und im Vergleich zur digitalen Welt beruhigt mich das Gefühl, etwas geschaffen zu haben, das die kurzlebigen Trends der Netzwelt überleben wird.