LESERINNENBRIEFE
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Wie Kai aus der Kiste

■ betr.: „Mehrheit weder für Stöß noch für Saleh“, taz vom 29. 8. 14

Ich verstehe überhaupt nicht, dass Raed Saleh, nachdem er im April dieses Jahres auf seine Aspiration, gegen Jan Stöß als Parteivorsitzenden zu kandidieren, auf Zuraten der Elder Statesmen verzichtet hat, jetzt wieder, als wäre nichts gewesen, wie „Kai aus der Kiste“ auf der Matte steht und seine Ansprüche anmeldet. Das ist doch ein Rückzieher vom Rückzieher, so was macht man doch nicht! Nach der Vorentscheidung im April 2014 konnte sich doch Jan Stöß darauf verlassen und vorbereiten, die Nachfolge Wowereits anzutreten. Nichts gegen Raed Saleh, er hat sehr gute Qualitäten. Aber der Fraktionsvorsitzende ist auch ein sehr wichtiger und guter Posten, um gute Politik in Berlin zu machen, umso besser wenn hier Kontinuität gewährleistet ist.

Dass jetzt ernsthaft wieder Michael Müller ins Gespräch kommt, nur weil zwei gute Kandidaten sich nicht einigen können – das bedeutet nichts Gutes für Berlin. Eigentlich wurde mit Tempelhof auch Müller versenkt, aber in Berlin ticken die Uhren eben anders. Raed Saleh sollte schnellstens zurückziehen, damit Berlin nicht ins Schlingern gerät. Dass Jan Stöß denken kann, hat er bewiesen, als er aus langfristigen städtebaulichen Gründen für den Stadtring kämpfte und sich nicht verleiten ließ, kurzfristig mit knappen Mehrheiten mit so einem Thema den Regierenden in Bedrängnis zu bringen.

ANNETTE AHME, Berlin-Kreuzberg

Die Party ist vorbei

■ betr.: „Wer wird der nächste Klaus Wowereit?“, taz vom 27. 8. 14

Der Rücktritt kommt zu diesem Zeitpunkt zwar überraschend, aber trotzdem um viele Jahre zu spät. Wowereit konnte in Berlin lange genug nach Gutsherrenart schalten und walten, hat fröhlich lächelnd eine Menge Steuergelder, auch aus dem Länderfinanzausgleich, zu Asche gemacht. Seine Verdienste um Berlin sind ganz unbestritten, aber eben auch ziemlich lange her. Und wer nicht liefert, für den ist die Party irgendwann vorbei. Danke sehr für Ihre Aufmerksamkeit, viele Grüße IRA BARTSCH, Lichtenau-Herbram

Big Games, Big Money

■ betr.: „Sportstadt: Berlin verpasst eine Chance“, taz.de vom 15. 8. 14

Schön wäre, die Wettkampftage von 1972 nonstop, so wie’s damals war, zu den echten Sendezeiten zu wiederholen im Fernsehen. Eine Gestalt namens Robert Lembke organisierte das Ganze übrigens medial. Berlin wird doch wohl noch einen Robert Lembke haben. Otl Aicher sorgte für Orientierung, Corporate Identity und Design. Es waren keine Kommerzgames.

Natürlich kann man das in Berlin machen mit den richtigen Teams und der Erweiterung der Spiele (plus Nachhaltigkeit). Ähnlich der documenta mit vielen Foren und Diskussionen einschließlich Kunst und Philosophie. Sport hatte ursprünglich besonders in Deutschland weniger mit Wettkampf als mit körperlicher und geistiger Gesundheit zu tun, Sport war hier bis nach 1900 etwas Ganzheitliches und Integratives, das ist es nicht mehr, es sortiert die „Besten“ aus. Otl Aicher wollte mit seinem Olympiadesign 72 das Integrative wieder mit betonen, anders macht es gar keinen Sinn. Die Gestalt Robert Lembke wollte auch nichts anderes. Die Paralympics sind nur eine Fortsetzung des Aussortiergedankens.

Integration und Erweiterung waren immanent, nebenbei wurde Sport betrieben. Es sollte ein Fest sein und es waren die Robert Lembkes und Otl Aichers und nicht die Franz Beckenbauers oder andere Repräsentanten im heutigen üblichen und widerlichen Sponsordiskurs und den großen Nebengeschäften, die nur wenige machen. Im Jahr 1972 ging es auch um Gleichheit. Ab 1976 ging es in Richtung Big Games und Big Money, will man das fortsetzen, sollte man es lassen.

ANDREAS URSTADT, taz.de

Nicht überzeugend

■ betr.: „Wowereit-Nachfolge: Platz für dritte Kraft“, taz.de vom 28. 8. 14

Müller, Saleh, Stöß – schon traurig, dass die einst so stolze SPD in Berlin kein überzeugenderes Personal mehr hat! Für die anderen Parteien gilt da allerdings auch nichts anderes. Die Politszene der Hauptstadt erinnert nur noch an die hinterste Provinz! Spitzbube, taz.de

Qualifiziert für was?

■ betr.: „Kommentar Nachfolge für Wowereit: Bestmöglich qualifiziert“, taz.de vom 27. 8. 14

Gut gemeint, doch die Fragen bleiben und sind zahlreich: Wie qualifiziert ist der/die Nachfolger/in? Und wofür? Warum soll es so ein Amt, mit so viel Macht überhaupt geben? Wird er/sie die Kassen besser verwalten? Oder besser bauen? Sollen es nicht Qualifizierte tun? Soll die politische Verantwortung nicht geteilt werden? Dann auch wirklich stattfinden, stattfinden können? Dieselben Fragen auch an übrige Macht-Ämter und die sie besetzenden Macht-Kolleg/inn/en in den Ländern und im Bund. vjr, taz.de

Sprach- statt Inhaltskritik

■ betr.: „Saleh: Ein dubioses Hörproblem“, taz.de vom 28. 8. 14

„Ob neue Technologien angenommen werden, hängt stark von der Akzeptanz ab.“ (Philipp Rösler) Grammatikalisch korrektes, aber inhaltlich sinnentleertes Deutsch, das von den Medien unisono artig zitiert und unhinterfragt publiziert wird, als ob es irgendwelche Relevanz besäße. Darüber meckert kein Journalist, über Herrn Salehs gelegentliche Sprachstolpereien hingegen schon. Wenn sich die Vierte Gewalt als Sprachkritiker gerieren zu müssen meint, sollte sie sich lieber den inhaltlichen Quatsch solcher Politikertexte als Ziel ihrer Kritik vornehmen, anstatt die grammatikalische Verpackung. nömix, taz.de