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Archiv-Artikel

Warschaus Politik der kleinen Schritte

Beim Polenbesuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel sagt Staatschef Łech Kaczyński zu, über den EU-Verfassungsvertrag diskutieren zu wollen. Auch die „Berliner Erklärung“ will er unterschreiben. Die Kanzlerin sieht Chancen für eine Annäherung

AUS WARSCHAU GABRIELE LESSER

Das Schlüsselwort hieß „gemeinsam“. Damit öffnete Bundeskanzlerin Angela Merkel in Polen einige Türen. Für ihren Besuch in Warschau und auf der Halbinsel Hela hatte sie sich Zeit genommen. In knapp zwei Tagen wollte sie die deutsch-polnischen Beziehungen aus dem Morast permanenter Missverständnisse und Streitereien ziehen. Einfach war das nicht, das Misstrauen auf polnischer Seite sitzt tief. Dennoch fiel Merkels erste Bilanz positiv aus: „Es gibt eine Chance auf einen Kompromiss.“

Auch Präsident Łech Kaczyński zog eine verhalten positive Bilanz. Er habe „einen Schritt auf Deutschland zu“ gemacht, erklärte er am Samstagabend. Polen werde nicht mehr darauf bestehen, den EU-Verfassungsvertrag neu zu schreiben. Vielmehr habe er sich mit Merkel, die zurzeit auch EU-Ratsvorsitzende ist, geeinigt, den vorliegenden Text als „Grundlage der Diskussion“ zu akzeptieren. Er werde auch die „Berliner Erklärung“ zum 50. Jahrestag der Römischen Verträge unterzeichnen.

Am 25. März wollen alle 27 Mitgliedstaaten nicht nur 50 Jahre EU feiern, sondern sich auch in eben jener „Berliner Erklärung“ zum gemeinsamen Wertekanon der EU bekennen und die neuen Aufgaben und Ziele für das nächste Jahrzehnt festschreiben. Erst im Juni soll entschieden werden, wie der EU-Verfassungsvertrag noch gerettet werden kann. Polens Regierung will einen Religionsbezug in die Präambel aufnehmen und die „christlich-jüdischen Wurzeln Europas“ betonen. Außerdem solle das Stimmenverhältnis im Europäischen Rat so festgeschrieben werden, wie es auf dem EU-Gipfel in Nizza beschlossen wurde: 27 Stimmen für Polen und nur zwei Stimmen mehr für Deutschland. Polen hat zudem Angst, bei Mehrheitsentscheidungen im Europäischen Rat den Kürzeren zu ziehen, und will erreichen, dass möglichst viele Fragen einstimmig entschieden werden.

Große Probleme hat die nationalkonservative Regierung Polens auch mit einem gewählten Präsidenten oder Außenminister der EU. Sie pocht auf eine „souveräne Außenpolitik“, die sie nicht mit den EU-Partnern abstimmen will. „Nur gemeinsam wird dem eigenen nationalen Interesse am besten gedient“, sagte Merkel. Dies sei nach dem Zweiten Weltkrieg eine neue Erkenntnis gewesen. Sie habe es ermöglicht, ein „europäisches Friedenswerk ohne Beispiel zu begründen“.

Die Solidarität, die als polnische Freiheitsbewegung das Tor zur Überwindung der deutschen Teilung aufgestoßen habe, sei auch ein zentraler Wert in der EU. „Jedes Mitglied der Gemeinschaft muss sich auf diese Solidarität verlassen können.“ Europa dürfe sich nicht spalten lassen. Nur gemeinsam sei Europa stark.

Dem stimmte Łech Kaczyński zwar zu, betonte aber, dass „Polen bei seiner Meinung“ bleibe, was die EU-Verfassung angehe. Zudem, so räumte er ein, „hat die Bundeskanzlerin natürlich das Recht, mit uns über das amerikanische Raketenabwehrsystem zu sprechen“. Aber dies sei ein Projekt, das im Grunde nur Polen, Tschechien und die USA etwas anginge. Merkel hatte Polens Präsidenten bewegen wollen, die Stationierung von US-Abfangraketen mit den Bündnispartnern in der Nato zu diskutieren.

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