: Mann auf die Bühne?
Lübecks Theater hat Großes vor: alle Romane Thomas Manns sollen auf die Bühne. Aber Mann ist kein Steinbruch – hätte das Tourismusmarketing auch seine Freude daran
Die Nachrichtenagentur hat es in der ihr eigenen diskreten Weise formuliert: „Eine Steigerung der Zuschauerzahlen ist das erklärte Ziel des neuen Leitungstrios“, so berichtete die Deutsche Presseagentur. Eben jenes Leitungstrio des Lübecker Theaters hat jüngst angekündigt, Thomas Manns Romane auf die Bühne bringen wollen. Richtiger wäre es gewesen, hätte die Presseagentur geschrieben, dass Thomas Mann der neuen Zusammenarbeit mit dem Lübecker Tourismusmarketing vor die Flinte gekommen ist.
Es ist nichts Ehrenrühriges, mit Thomas Mann punkten zu wollen. Man kann von ihm eine Menge über Zerfallsprozesse erfahren und unabhängig davon, ob man die Gegenüberstellung von Leben und Kunst schlüssig findet oder nicht: bedenkenswert ist sie allemal.
Ein großes Problem ist es dagegen, aus dem Prosa-Autor Mann einen Steinbruch für zurecht unbekannte Dramatiker zu machen. Manns Texte sind Wortmusik, sie leben von Sätzen, die sich winden wie träge Flüsse und doch mit naturgesetzmäßiger Unbedingtheit ihr Ziel erreichen: „Die Geschichte Hans Castorps, die wir erzählen wollen, – nicht um seinetwillen (denn der Leser wird einen einfachen, wenn auch ansprechenden jungen Menschen in ihm kennenlernen), sondern um der Geschichte willen, die uns in hohem Grade erzählenswert scheint (wobei zu Hans Castorps Gunsten denn doch erinnert werden sollte, dass es seine Geschichte ist, und dass nicht jedem jede Geschichte passiert): diese Geschichte ist sehr lange her, sie ist sozusagen schon ganz mit historischem Edelrost überzogen und unbedingt in der Zeitform der tiefsten Vergangenheit vorzutragen.“ So beginnt der „Zauberberg“.
Wer, bitte schön, sollte sich bemüßigt sehen, daraus einen dramatischen Text zu backen? Niemand, der bei Verstand ist. So in Lübeck der Wunsch bestehen sollte, gute dramatische Texte auf die Bühne zu bringen, dann möge das Tourismusmarketing ein wenig Geld für eine Hausautorin zusammenkratzen. Das wäre dann tatsächlich produktiv.Friederike Gräff