Die CDU regiert – mit wem?

REGIERUNG Die CDU hat verloren, ist aber stärkste Kraft geblieben. Eine Koalition mit der AfD ist angeblich ausgeschlossen

VON MICHAEL BARTSCH
UND ANJA MAIER

DRESDEN/BERLIN taz | Schweigen, nicht einmal ein Raunen war am Wahlsonntag um 18 Uhr bei der sächsischen CDU im Landtag zu vernehmen. Zwar haben die Sachsen erwartungsgemäß erneut die Union favorisiert. Aber mit knapp 40 Prozent hat sie ihr Ergebnis von 2009 (40,2) verfehlt.

Der Union hat es offenbar nichts genutzt, die Wahl auf den letzten Tag der Schulferien zu legen. Nur die Wahlbeteiligung sank erneut: Diesmal gingen nur etwa 48,5 Prozent der Bürger zur Urne. Auch dies ist ein Negativrekord; vor fünf Jahren waren es noch 52,2 Prozent.

Jenseits dieser wenig überraschenden CDU-Konstanz aber deutet die Sachsenwahl durchaus auf Veränderungswillen. Das gilt noch am wenigsten für die Linke als Zweitplatzierte, die ihr 20,6-Prozent-Ergebnis mit rund 18 Prozent abgeschwächt halten konnte. Für Bewegung und einen knappen Wahlausgang sorgten vor allem die kleineren Parteien. Die letzte schwarz-gelbe Koalition auf Landesebene ist Geschichte; die FDP muss mit unter 5 Prozent den Landtag verlassen.

Zu den Gewinnern und damit zu den ersten Anwärtern auf Koalitionsverhandlungen zählt die SPD. Sie war in Sachsen vor zehn Jahren schon einmal unter 10 Prozent abgerutscht, diesmal gaben ihr etwa 12 Prozent der WählerInnen ihre Stimme. Das dürfte vor allem an ihrem Spitzenkandidaten Martin Dulig gelegen haben.

Unerwartet eng fällt mit etwa 5,5 Prozent die Entscheidung für die Bündnisgrünen aus. Ihr knappes Ergebnis könnte dennoch die Koalitionsoption mit der CDU zunichte machen. Ein maßgeblicher Teil der Partei um Fraktionschefin Antje Hermenau liebäugelt seit Langem mit Schwarz-Grün.

Auch im Berliner Konrad-Adenauer-Haus ist man dieser Option nicht abgeneigt – was in Hessen funktioniert, könnte in einem wirtschaftlich starken Ostbundesland relativ gefahrlos ausprobiert werden. Der Osten als bundespolitisches Experimentierfeld. Und in zwei Jahren beginnt ja schon wieder der Bundestagswahlkampf.

Ob es Schwarz-Grün überhaupt geben könnte, hing bei Redaktionsschluss noch davon ab, ob die NPD aus dem Landtag fliegt. Für diesen Fall sprach der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Michael Grosse-Brömer, im ZDF von einer „anderen Möglichkeit“. Unmissverständlich äußerte sich Grosse-Brömer auch zu einer Koalition mit der AfD. Sie wird mit um die 10 Prozent in Sachsen erstmals in einen Landtag einziehen. „Wir wollen keine Koalition mit der AfD“, sagte Grosse-Brömer. Auch die Parteivorsitzende Angela Merkel und ihr Generalsekretär Peter Tauber hatten zuletzt deutlich gesagt, dass sich Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich derartige Gedanken sparen könne. Der jedoch hält sich alles offen. Ein Nein zu einer Koalition mit der AfD war ihm auch auf Nachfrage nicht abzuringen. Im Gegenteil: „Ich weiß nicht, ob die AfD rechts von uns steht“, sagte Tillich im ZDF. Auch Ex-Fraktionschef Steffen Flath quittierte die Einlassungen aus Berlin mit: „In Sachsen gibt’s kein Konrad-Adenauer-Haus!“ Und Ex-Innenminister Heinz Eggert erklärte, die CDU müsse sich angesichts des AfD-Ergebnisses fragen, „wen sie nicht mehr angesprochen hat“.

In jedem Fall wird das Wahlergebnis die Stimmenverhältnisse im Bundesrat nicht wesentlich beeinflussen. Schließlich muss die CDU dort bei ihrem Abstimmungsverhalten weiterhin auf einen Koalitionspartner Rücksicht nehmen. Die Landesverfassung bestimmt, dass der neue Landtag bis zum 30. September zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentreten muss. Wird der Ministerpräsident nicht binnen vier Monaten gewählt, gilt der Landtag als aufgelöst.