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Archiv-Artikel

Für Manager im Erziehungsurlaub

Die Personalchefs in deutschen Unternehmen suchen ihre Mitarbeiter oft nach Gefühl und ihren Vorurteilen entsprechend aus. Damit sich das ändert, hat eine Dortmunder Firma ein Projekt zur geschlechtergerechten Personalauswahl gestartet

von JOHANNA RÜSCHOFF

Augenschein und Bauchgefühl. Danach entscheiden die meisten deutschen Personalchefs, wem sie einen Job geben. Zwischen einem Kandidaten und dem potentiellen Job können verschiedene Dinge stehen: das Geschlecht, das Alter oder ein bestimmter Punkt im Lebenslauf – und meistens sind die Vorurteile Schuld. „Das muss aufhören“, sagt Martina Stangel-Meseke. Deshalb hat die Hochschuldozentin in ihrer Funktion als Geschäftsführerin der Dortmunder Unternehmensberatung t-velopment ein Projekt zur genderfairen Personalauswahl ins Leben gerufen. „Das betrifft nicht nur Frauen, sondern auch Männer, die zum Beispiel einen Erziehungsurlaub im Lebenslauf stehen haben“, so die Wirtschaftspsychologin.

Ein Manager im Erziehungsurlaub? Im Weg sind oft die Stereotypen. Und genau die will Stangel-Meseke mit ihrem Training überlisten, das bis Juli in einem Probelauf ausprobiert wird. Zusammen mit ihrer Kollegin Jana Staudt vermittelt sie im Seminar, wie eine systematische Personalauswahl aussehen kann. Ein konkretes Anforderungsprofil ist der erste Schritt. Dann wird es für ihre Seminarteilnehmer ernst: Es geht den eigenen Vorurteilen an die Wäsche.

Stangel-Meseke hat in einer Studie an der Universität Konstanz gezeigt, dass Vorsätze eine wirksame Methode gegen den schädlichen Einfluss von Stereotypen sind. Ein ganz simpler Vorsatz etwa könnte lauten: „Frauen können genau so erfolgreich sein wie Männer.“ Oder eben anders herum, bei frauentypischen Berufen wie Erzieher. „Vorsatzbildung“ nennt Stangel-Meseke das. „Das Gehirn muss sich bewusst darauf konzentrieren nicht zu diskriminieren. Dann kommen Vorurteile gar nicht erst auf“, so die Psychologin. Sie selbst hat die Wirkung von Vorurteilen an der Universität erlebt. „In wissenschaftlichen Berufungskommissionen gibt es ganz viele Stereotypen, weil es eine sehr männerdominierte Umgebung ist“.

Mit ihrem Konzept, das sie gemeinsam mit Kollegin Jana Staudt entwickelt hat, trifft die Geschäftsfrau einen Nerv. Erst im Februar ist eine britische Studie erschienen, die Deutschland als Schlusslicht bei „systematischen Eignungstests ihrer Mitarbeiter“ einstuft – von zwölf Ländern liegt Deutschland auf dem letzten Platz, zusammen mit der Türkei. „Wir bewegen uns damit auf dem Niveau eines Entwicklungslandes“, urteilt Karl Westhoff von der TU Dresden. Der Studie zufolge wenden nur sechs Prozent deutscher Unternehmen bei der Einstellung von Personal fundierte Auswahltests an, im Vorreiterland Finnland sind es 74 Prozent. Westhoff glaubt, dass der demographische Wandel und das sinkende Angebot an Akademikern bald zum Umdenken zwingen werde. „Die Personalauswahl nach Gutsherrenart ist am Ende.“

Auch deshalb hat Stangel-Meseke, die gleichzeitig den Studiengang Wirtschaftspsychologie an der Business and Technology School Iserlohn leitet, mit ihrem Konzept Erfolg. 2005 gewann t-velopment für die Idee den NRW-Innovationspreis, der zum Thema „Chancengleichheit von Mann und Frau“ ausgeschrieben war. Die Entwicklungsphase des Projekts wird nun von der EU mit 70.000 Euro gefördert, ein Betrag der die Hälfte der anfallenden Kosten deckt.

Momentan können sich Firmen bewerben, die an den Seminaren teilnehmen möchten – noch sind sie schließlich kostenlos. Rund zehn Unternehmen haben sich bereits angemeldet – darunter BP und Thyssen-Krupp. „Wenn im Juli die Projektphase endet, soll das Konzept vermarktet werden“, sagt die Wirtschaftspsychologin. Sie ist überzeugt, dass ihr Produkt bei den Firmen großen Anklang finden wird. „Schließlich führen personelle Fehlentscheidungen auch zu finanziellen Verlusten für den Arbeitgeber.“