Konsequent dafür dagegen

Weil der Koalitionsvertrag mit der CDU Vorrang genießt, stimmt die Bremer SPD heute im Parlament gegen ihre eigene Politik: Sie will von der großen Koalition im Bund nicht mehr ALG II verlangen

von Jan Zier

Natürlich, sagt SPD-Sozialpolitiker Wolfgang Grotheer, ist seine Partei dafür. Die Fraktion hat es ja so beschlossen. Einen Antrag dazu formuliert. Und im Wahlprogramm der SPD steht es auch drin. Natürlich. Dennoch wird sich die Partei heute im Parlament öffentlich dagegen aussprechen. Sie wird den Bremer Senat nicht auffordern, sich für eine höhere Sozialhilfe, für mehr Arbeitslosengeld II einzusetzen.

Die Grünen in der Bremischen Bürgerschaft fordern genau dies. Einen entsprechenden Antrag haben sie schon im Januar dieses Jahres ins Parlament eingebracht, heute wird darüber abgestimmt. Wolfgang Grotheer wird ihn ablehnen, „mit der geballten Faust in der Tasche“, wie er sagt. Die CDU will es so. Der Koalitionsvertrag will es so. Darin ist festgelegt, dass die SPD ihre Anträge nur gemeinsam mit der CDU einbringen darf. „Und der Koalitionsvertrag gilt noch bis zum 13. Mai“, sagt Grotheer.

Die CDU aber lehnt das Ansinnen des Koalitionspartners ab. Eine Begründung dafür liege ihm nicht vor, sagt Grotheer. Den Sozialdemokraten falle zur Armutsbekämpfung nicht mehr ein, als zusätzliche staatliche Leistungen zu verlangen, sagt CDU-Sozialpolitiker Karl Uwe Oppermann. „Das ist keine besonders nachhaltige Strategie“.

Die Bremer PolitikerInnen können ohnedies nicht mehr, als sich im Bundesrat für eine Gesetzesänderung stark zu machen. Die Bedarfssätze hat der Bund festgelegt, seit 2002 sind sie unverändert, ein Inflationsausgleich ist nicht vorgesehen. Damals regierte rot-grün das Land, die CDU hat in der Länderkammer ihren Segen dazu gegeben.

Populismus mag Grotheer den Grünen nicht vorhalten. Sie hätten erkannt, dass Handlungsbedarf bestehe, sagt der SPD-Mann. Die derzeitige Höhe der Regelsätze sei „nicht geeignet“, ein Leben in Würde zu ermöglichen, schreiben die Grünen in ihren Antrag. Bei der SPD liest sich das ähnlich. Ob das 2002 noch anders war, lassen beide Parteien offen. Sozialverbände fordern eine Anhebung um ein Fünftel.

Dass die SPD-Bundesregierung die Forderung der Bremer GenossInnen aufgreift, ist unwahrscheinlich. Bundesarbeitsminister Franz Müntefering etwa hat die Regelsätze immer wieder verteidigt. Und auch Grotheer spricht von einem „langen Atem“, der nötig sei. Auf jeden Fall werde man das Thema in die Koalitionsverhandlungen einbringen. Mit wem auch immer die SPD ab Mai regiere. Natürlich.