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Archiv-Artikel

ANDREAS FANIZADEH LEUCHTEN DER MENSCHHEIT Grusel mit Geigerzähler

Are you bored with sea and classic trips? Let’s try something extraordinary!“ So wirbt ein Veranstalter auf der Web-Seite www.chernobylwel.com für Reisen ins atomar verseuchte Sperrgebiet um die Reaktorruine von Tschernobyl. Die „unforgettable tour“ wird zum Preis von 250 Euro angeboten, Geigerzähler inklusive. Tschernobyl liegt heute auf dem Staatsgebiet der Ukraine. Im Zuge der 2012 stattfindenden Fußball-EM soll es breit vermarktet werden. Durch Gruseltourismus an Devisen.

Der Reaktor in Tschernobyl explodierte am 26. April 1986. Die Japaner in und um die havarierten Reaktorblöcke von Fukushima brauchen nur 25 Jahre zurückzublicken und sie wissen, was sie von der Zukunft erwartet. Manche können es sich allerdings gleich sparen, wie jene armen Kerle, denen die tödliche Strahlenbrühe bei den Notarbeiten an den Reaktorblöcken in die Stiefel lief.

Wie es in und um Tschernobyl 1986 zuging, hat Alexander Kluge in „Die Wächter des Sarkophags“ (Rotbuch, Hamburg 1996) dokumentiert. Keine Technik, kein Roboter konnte den Menschen ersetzen. Viele Helfer starben. „Diese Menschen haben mit ganz normalen Spaten den radioaktiven Brennstoff aufgesammelt“, sagte der russische Journalist Igor Kostin im Gespräch mit Kluge und meinte: „Ich glaube, nur der russische Mensch ist in der Lage, so etwas zu machen; es ist unmenschlich, Menschen dahin zu schicken.“

25 Jahre nach der Reaktorexplosion von Tschernobyl ist auch das Hochtechnologieland Japan kaum weiter. Es gibt keine mechanischen Verfahren gegen die Katastrophe. Von Hand wird experimentiert und gebastelt, bis riesige Beton-Sarkophage die Unglücksreaktoren von Fukushima umhüllen sollen.

In Tschernobyl bröckelt die Hülle um das strahlende Monstrum längst wieder. Auf www.chernobylwel.com lobt indes ein Tourist aus Deutschland: „Ich habe sehr angenehme Erinnerungen an unseren Ausflug. Alles war perfekt organisiert.“

Andreas Fanizadeh leitet das Kulturressort der taz Foto: privat