: Grüne und SPD streiten sich über Enquete-Kommission
NSU Die Untersuchung in Baden-Württemberg stockt, bevor sie richtig losgegangen ist
STUTTGART taz | Die NSU-Enquete-Kommission in Baden-Württemberg wird nach nur zwei Sitzungen von Innenminister Reinhold Gall (SPD) zurückgepfiffen: Sie darf keine Ermittler im Fall der ermordeten Polizistin Michèle Kiesewetter befragen. Das hat das Innenministerium dem Kommissionschef Willi Halder (Grüne) mitgeteilt.
„In München ist ein Gerichtsverfahren anhängig. Dort möge sich der Kommissionsleiter hinwenden, um eine Aussage genehmigen zu lassen oder Akteneinsicht zu erhalten“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Damit stockt die Arbeit der NSU-Enquete-Kommission, die erst im Juni begonnen hat. Sie soll die rechtsextremen Strukturen in Baden-Württemberg seit 1991 untersuchen und Empfehlungen ableiten, wie man künftig rechte Taten verhindern könnte.
Verwunderlich ist, dass in Thüringen ebenfalls während des NSU-Prozesses ein Untersuchungsausschuss recht erfolgreich arbeiten konnte. „Dort ist der Ausschuss massiv vom Innenminister unterstützt worden“, sagt Halder.
Bei den Grünen entsteht der Eindruck, das baden-württembergische Innenministerium blockiere die Aufarbeitung von NSU-Verbindungen ins Land. „Wenn sich das Innenministerium querstellt, brauchen wir früher oder später einen NSU-Untersuchungsausschuss“, sagt Marcel Emmerich, Landessprecher der Grünen Jugend. Die Grünen hatten einen Untersuchungsausschuss gefordert. Weil die SPD dies nicht mitgetragen hat, einigte man sich auf die Enquete-Kommission. Aber die hat weniger Befugnisse.
Nikolaos Sakellariou, Obmann der SPD, bezeichnet Spekulationen über eine Blockadehaltung als „Unfug“. Bei laufenden Gerichtsverfahren dürften die Ermittler nichts sagen, egal ob es „Enquete oder Untersuchungsausschuss“ heiße.
Streit entzündet sich auch an der Frage, ob der Mordfall Kiesewetter zum Auftrag der Enquete-Kommission gehört. Nein, sagt das Innenministerium. Das baden-württembergische Innenministerium vertritt die These, Kiesewetter sei ein Zufallsopfer gewesen. Halter will mit der Enquete-Kommission aber auch diesen Teil der baden-württembergischen Vergangenheit untersuchen und den Zweifeln des Thüringer Untersuchungsausschusses an der Zufallstheorie nachgehen. Eine Verbindung der Polizistin in die Rechtsszene könnte sich über die Expartnerin ihres Onkels ergeben haben. Sie gehört demselben Bekanntenkreis an wie der Angeklagte im NSU-Prozess, Ralf Wohlleben.
LENA MÜSSIGMANN