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Archiv-Artikel

„Rauchverbote helfen den Rauchern“

Der Mediziner Thomas Raupach über die Auswirkungen von Qualm und Verboten für Nichtraucher – und Raucher

Von LÖW

DR. TOBIAS RAUPACH, 30, ist Arzt. Er leitet die Raucherentwöhnungsambulanz im Göttinger Klinikum.

taz: Herr Raupach, ab wann führt der Aufenthalt in einer verrauchten Kneipe überhaupt zu schwerer Krankheit?

Tobias Raupach: Es gibt keinen unteren Schwellenwert, unter dem Passivrauchen ungefährlich wäre. Sobald man Qualm einatmet, setzt man sich einem Risiko aus, das zwar nicht immer zu beziffern ist, das allerdings größer ist als null.

Aber das Risiko nimmt zu, je länger ich in dem Raum bin und je verrauchter er ist?

Richtig. Es gibt eine Dosis-Wirkungs-Beziehung. Je länger man sich in einer verrauchten Kneipe aufhält, umso höher ist das Risiko, eine der Krankheiten zu bekommen, die durch die 50 krebserregenden Substanzen und 100 chemische Gifte im Tabakrauch bedingt sind.

Welche Krankheiten?

Zu den wichtigsten gehört die Verkalkung der Herzkranzarterien, die zum Herzinfarkt führen kann. Mindestens so bedeutsam ist der Lungenkrebs.

Was kann das Passivrauchen bei Kindern anrichten?

Das sind unter anderem die Mittelohrentzündung und eine Infektion mit Meningokokken, die unter Umständen zur Hirnhautentzündung führen kann.

Was riskieren Schwangere?

Es ist bewiesen worden, dass Passivrauchen in der Schwangerschaft zu einem niedrigeren Geburtsgewicht des Kindes führt. Außerdem ist Passivrauchen für Neugeborene gefährlich. Immerhin sterben in Deutschland jährlich 60 Kinder am plötzlichen Kindstod, weil sie passiv rauchen müssen.

Haben rauchende Kellner gesundheitlich etwas von einem Rauchverbot?

Selbst ihre Gesundheit bessert sich in einer rauchfreien Umgebung: Augen- und Rachenreizungen gehen zurück. Zudem möchten ja etwa zwei Drittel aller Raucher das Rauchen aufgeben. Aus der Entwöhnungsambulanz weiß ich, dass sie es als Hilfe beim Aufhören empfinden, wenn Rauchen an öffentlichen Orten verboten wird. So helfen Rauchverbote auch Rauchern. Wer das Rauchen aufgibt, hat schon nach wenigen Tagen das subjektive Gefühl, einen besseren Geschmacks- und Geruchssinn zu haben. Einige Körperwerte wie die Vergiftung des Blutes mit Kohlenmonoxid lassen schon nach acht Stunden nach. Die Lungenfunktion verbessert sich messbar nach drei Monaten. Das Herzinfarktrisiko ist ein Jahr nach Beendigung des Rauchens bereits halbiert.

Und das Krebsrisiko?

Das bleibt über eine längere Zeit erhöht, weil sich die giftigen Substanzen in der Lunge anreichern und dort weiter ihre Wirkung entfalten. Wir nehmen an, dass das Lungenkrebsrisiko etwa zehn Jahre nach einem Rauchstopp halbiert ist. Aber darüber diskutiert die Wissenschaft noch. INTERVIEW: LÖW