: Genealogie des Verbrechens
Das Urteil liegt zehn, das Verbrechen 30 Jahre zurück. Und angeblich war es der größte Versicherungsbetrug aller Zeiten – der Fall Lucona. Ende Januar 1977 hatte der Wiener Konditor Udo Proksch gemeinsam mit dem Kieler Kaufmann Hans Peter Daimler den Frachter im Indischen Ozean versenkt: Per Zeitzünder-Bombe, ohne Rücksicht aufs Leben der Besatzung. Und mit dem Ziel, für die wertlose Ladung 33 Millionen Mark Versicherungsprämie zu kassieren. Proksch bekam 1991 in Wien lebenslänglich und Daimler 1997 in Kiel 14 Jahre.
Eigentlich aber war es ein Bremerhavener Fall und der Urheber des Verbrechens schon 116 Jahre tot. Er hieß Alexander Keith und brachte sich am 16. Dezember 1875 als Wiliam King Thomas um. Keith nämlich hat die Betrugs-Methode ersonnen: Schiffe mit wertloser Fracht auf hoher See sprengen. Per Zeitzünder. Nicht nur dass die erhoffte Versicherungsprämie von 9.000 Pfund Sterling in heutiges Geld umgerechnet höher gelegen hätte als die der Lucona-Fracht, auch skrupelloser war Keith als seine Nachfolger: Seine Höllenmaschinen deponierte er auf Auswanderer-Schiffen.
Sein erster Versuch scheiterte – das Uhrwerk der Bombe versagte. Der zweite führte zur Katastrophe: Als der Lloyd-Dampfer Mosel am 11. Dezember 1875 beladen wurde – Bestimmung New York – rutschte das Dynamit-Fass vom Haken und explodierte auf dem Quai der Südermole. Die Folge: 83 Tote,zahllose Verletzte. Dass Proksch und Daimler die Geschichte kannten, ist so unwahrscheinlich nicht: Sie avancierte, darauf hat der Lokalhistoriker Hans Wrobel hingewiesen, zum Fallbeispiel in Franz von Liszts bis in die 1950er viel genutztem Juristen-Lehrbuch „Strafrechtsfälle zum akademischen Gebrauch“. bes