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Archiv-Artikel

Rütlischwur gegen den Neoliberalismus

Unter dem Motto „Für ein Berlin, in dem wir leben wollen“ findet Ende April das erste Berliner Sozialforum statt. Das Treffen linker Gruppen soll „Strukturen“ sozialen Widerstands schaffen. Der Ort ist hochsymbolisch: die Rütli-Schule in Neukölln

Auf globaler und europäischer Ebene werden sie regelmäßig abgehalten, und auch in Deutschland gab es bereits eines. Am 21. und 22. April findet nun das erste Berliner Sozialforum an einem symbolträchtigen Ort statt: in der Neuköllner Rütli-Schule. Unter dem Motto „Für ein Berlin, in dem wir leben wollen“ sind Gruppen und Einzelpersonen eingeladen, die „sich gegen die herrschende Politik der gesellschaftlichen Spaltungen und Ausgrenzungen wenden“, wie es im Einladungstext heißt. Verfasst hat ihn eine Arbeitsgruppe der Berliner Initiative für ein Sozialforum – das Bündnis, das in den Medien meist selbst als „Berliner Sozialforum“ auftaucht. Die AktivistInnen versuchen seit 2005, den linken Protest in der Stadt zu vernetzen – mit mehr oder weniger großem Erfolg.

Zunächst waren manche AktivistInnen skeptisch, ob im Vorfeld des G-8-Gipfels in Heiligendamm und verschiedener Aktivitäten zum 1. Mai noch Zeit und Interesse für das Sozialforums-Wochenende bleiben würde. Schließlich sah man aber gerade in diesem Timing einen Vorteil: „Die Vorbereitung für die Proteste gegen die G 8 hat die Diskussion über Gegenwehr gegen die neoliberale Wirtschaftsordnung wieder angeregt. Das Sozialforum soll Strukturen schaffen, die über den Gipfel hinaus Widerstand gegen die Folgen der neoliberalen Politik vor Ort bündeln können“, so ein Mitglied des Vorbereitungskreises.

In Podiumsdiskussionen, Workshops und Arbeitsgruppen sollen die Auswirkungen neoliberaler Politik auf Gesundheit und Bildung, Kultur und Arbeitsverhältnisse untersucht werden. Doch bei der Analyse soll es nicht bleiben: Der Aufbau von lokalen und globalen Bewegungen soll das eigentliche Ziel des Wochenendes sein. Dabei heißt die Devise „Do it yourself“: Noch bis zum 31. März können AktivistInnen ihre Vorschläge an info@social forum-berlin.org schicken.

Mit der Wahl der Rütli-Schule als Veranstaltungsort haben die OrganisatorInnen bereits Kreativität bewiesen. Statt im Audimax einer Universität oder im Bildungswerk einer politischen Stiftung hat man sich entschieden, in einem sozialen Brennpunkt zu tagen. Die Hauptschule war im letzten Frühjahr in die Schlagzeilen geraten, nachdem das Lehrerkollegium in einem Brief die Schließung der Schule gefordert hatte – mit der Begründung, es könne seinem pädagogischen Auftrag nicht mehr nachkommen.

Für einen Großteil der Medien wurde die Rütli-Schule schnell zum Inbegriff des Scheiterns der multikulturellen Gesellschaft. Nur wenige, wie die langjährige Rütli-Rektorin Brigitte Pick, wiesen dabei auf die sozialen Ursachen der Misere hin und erinnerten daran, dass die Schule in den 70er-Jahren als Modell für sozial engagierte Pädagogik in einem sozialen Brennpunkt galt.

Ob die heutigen SchülerInnen der Rütli-Schule überhaupt Interesse an den Debatten des Sozialforums haben, ist eine offene Frage. Vielleicht kommen die AktivistInnen aber auch zu ihnen. Eine Videokundgebung in der Nähe der Schule ist in Vorbereitung. Sie soll auch AnwohnerInnen in die Debatte um Widerstandsperspektiven einbeziehen. PETER NOWAK

www.sozialforum-berlin.de