PRÄSIDENTSCHAFTSKANDIDAT SARKOZY TRITT ALS INNENMINISTER ZURÜCK
: Das politische Chamäleon

Nicolas Sarkozy verlässt heute die Regierung in Paris. Das war überfällig. Denn schon seit langem war nicht mehr klar, wann Sarkozy als Innenminister auftrat, um im Land für Ordnung zu sorgen, und wann als Präsidentschaftskandidat, der seiner Kampagne mit spektakulären Verhaftungen und Polizeirazzien Schwung zu geben versuchte.

Nun ist Sarkozy also nur noch Wahlkämpfer in eigener Sache. Aber er bleibt ein Chamäleon: ein Politiker, der sich Situationen und Stimmungen so weit anpassen kann, dass er zuweilen kaum mehr wiederzuerkennen ist. Das fängt mit seinem persönlichen Auftreten an: Wenn Sarkozy Feuerwehrleuten und Polizisten Mut zusprechen will, dann neigt er zu Kraftsprüchen und einer unruhigen Körpersprache, die von nervösen Grimassen geprägt ist. Wenn er aber vor älteren Parteimitgliedern spricht, dann greift er zu Wörtern wie „Liebe“, „Verständnis“ und „Einsamkeit“ sowie einem staatsmännisch-ruhigen Gestus.

Widersprüchlich war Sarkozy auch als Innenminister. Einerseits setzte er seinen Beamten ein jährliches Plansoll für Abschiebungen fest, andererseits schaffte er zumindest teilweise jene absurde „Doppelstrafe“ ab, nach der straffällig gewordene Ausländer zuerst mit Gefängnis und anschließend mit Abschiebung bestraft werden können.

Ein politisches Chamäleon ist Sarkozy nicht zuletzt auch in außenpolitischen Fragen. In Washington gibt er sich als Atlantiker und Bushist. In Paris preist er Chiracs USA-kritische Haltung. In Brüssel und Berlin gibt er sich als engagierter Europäer, der die EU-Verfassung schnell und unbürokratisch durchsetzen will. In Paris kündigt er die Schaffung eines Ministeriums für „nationale Identität“ an – ein Terminus, den er bei den resolut EU-feindlichen Rechtsextremen abgekupfert hat.

Ein französischer Staatspräsident, der sich im Ausland als weltoffener Politiker und im Inland als Nationalist gibt, wird die Zusammenarbeit nicht leicht machen: weder für die Franzosen selbst, von denen viele schon jetzt vor Sarkozy zittern, noch für Frankreichs Partner in der Welt, von Merkel über Bush bis hin zu Barroso. DOROTHEA HAHN