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Spekulant macht Jagd auf linke Projekte

Ein Geschäftsmann kauft offenbar gezielt Hausprojekte in Friedrichshain auf und versucht auf rabiate Weise, die bisherigen Mieter loszuwerden

„Wir sind nicht käuflich“ steht auf der bunten Fassade. Ein dunkler Durchgang führt in einen eher ungastlichen Hinterhof. „Ich komme runter“, ruft eine Stimme aus dem dritten Stock. Elvira* ist 26, seit drei Jahren wohnt sie in dem Hausprojekt in der Liebigstraße 34 in Friedrichshain. „Wir befürchten das Schlimmste“, betont sie. „Wenn Gijora Padovicz das Haus kauft, haben wir keine ruhige Minute mehr.“

Seit rund acht Jahren wohnen ausschließlich Frauen, Lesben und Transgender in dem Eckhaus. Im Erdgeschoss befindet sich ein Infoladen, daneben die unkommerzielle Kneipe „XB-Liebig“. Die Erbengemeinschaft, der das Haus gehört, ist heillos zerstritten. Da Schulden auf dem Haus lasten, soll es im Herbst zwangsversteigert werden. Die Bewohnerinnen wollen mitbieten und es durch eine Genossenschaft kaufen.

Auf Nachfragen erfuhren sie und ihr Anwalt Moritz Heusinger jedoch Erstaunliches: Fünf der neun Erben hätten mit dem Berliner Geschäftsmann Gijora Padovicz Vorverträge über einen Kauf des Hauses abgeschlossen, erzählte ihnen eine Erbin. Padovicz könne dann bei der Zwangsversteigerung so hoch bieten, wie er will, hinterher bezahle er aber nur den vereinbarten Preis.

Gijora Padovicz ist auf dem Immobilienmarkt kein Unbekannter. Über verschiedene Firmen der Unternehmensgruppe Padovicz (UGP) besitzt er allein in Friedrichshain laut Grundbuchamt mindestens 200 Häuser. In den Beratungsstunden der Berliner Mietergemeinschaft e. V. finden sich immer wieder Menschen ein, die Probleme mit einer der Firmen der Unternehmensgruppe Padovicz haben, berichtet Heike Weingarten aus der Beratungsstelle der Mietergemeinschaft in der Kreutzigerstraße. Ende der 90er-Jahre hat sie sich intensiv mit den Aktivitäten der UGP beschäftigt. Damals habe es fingierte Wohnungseinbrüche, angesägte Gasleitungen und Hausbrände in Padovicz-Häusern gegeben. Inzwischen sei es ruhiger geworden. „Es ist das Übliche“, erzählt sie. Falsche Betriebskostenabrechnungen, nicht behobene Mängel oder unbegründete Kündigungen seien die Hauptprobleme.

Seit einigen Jahren scheint die UGP Gefallen an Kauf und Sanierung von Friedrichshainer Hausprojekten gefunden zu haben. Mit üppigen Fördergeldern ausgestattet, sanierten Padovicz-Firmen bereits andere ehemals besetzte Häuser. Nicht zum Wohlergehen der BewohnerInnen: „Der nutzt rücksichtlos jeden Grund, einen rauszuklagen“, berichtet Rolf*, ein Bewohner der einst besetzten Kreutzigerstraße 12. Padovicz hatte das Haus 1999 gekauft und saniert. „Die WG im vierten Stock musste schon ausziehen“, erzählt Rolf, eine andere Wohnung im dritten Stock stehe vor der Räumung. Wenn der Eigentümer nun versuche, „normale“ Mieter hereinzunehmen, werde es die Kreutziger 12 als Hausprojekt nicht mehr geben.

Auch die BewohnerInnen des Hausprojekts in der Scharnweberstraße 29 haben bereits Abmahnungen und eine fristlose Kündigung erhalten. Das Haus wurde im vergangenen Jahr mit Mitteln des eigentlich 2001 ausgelaufenen Programms zur „Sozialen Stadterneuerung“ saniert. „Er versucht, uns mürbe zu machen, schickt täglich Briefe und hofft, dass wir bei Klagen den Schwanz einziehen“, erklärt Klaus* die Strategie. Noch nicht einmal die zugesagten Umzugsgelder und Mietzuschüsse hätten sie bisher bekommen.

Padovicz weigere sich als Geschäftsführer der Haupteigentümerin Siganadia Grundbesitz GmbH auch beharrlich, den bei einer Sanierung obligatorischen Ordnungsmaßnahmen-Vertrag mit dem Bezirk zu unterschreiben. Normalerweise habe er dadurch, laut Fördervertrag, den Anspruch auf weitere Förderraten verwirkt. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung habe die Gelder trotzdem angewiesen, wie ein Bezirksmitarbeiter den erstaunten BewohnerInnen erläuterte.

In der Liebigstraße 34 werden jetzt Gegenstrategien gegen einen Verkauf geschmiedet. Bei einem ersten Besuch der Hausverwaltung Factor, die viele Padovicz-Häuser verwaltet, wurde diese von 40 SympathisantInnen am Betreten des Hauses gehindert. Auch wollen die Bewohnerinnen versuchen, das Haus selbst zu kaufen. „Dafür brauchen wir Menschen, die bereit sind, uns finanzielle Unterstützung zu geben“, sagt Elvira.

Welche Strategie Padovicz mit dem Kauf ehemals besetzter Häuser verfolgt, ist unklar. Sind es nur der niedrige Kaufpreis und die bereitstehenden Fördergelder des Senats, die ihn locken, oder hat Padovicz weitergehende Interessen? Von der UGP war dazu keine Stellungnahme zu bekommen. PETER LOLLER

*Namen geändert

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