Die Kybernetiker kommen

DISKURSPOP II Seit den frühen 80er-Jahren machen F.S.K. Musik über Musik, verfolgen teils transatlantische Spuren und trauen der Rede vom Authentischen kein bisschen. Jetzt spielen sie in Wolfsburg

„Heute Disco, morgen Umsturz, übermorgen Landpartie“: In den Ankündigungen zu zwei Konzerten der Band hat man sie jetzt wieder lesen können, hie und da, diese Schlüsselsentenz aus dem „Manifest der Freiwilligen Selbstkontrolle“ von 1981. Einen ganz eigenen Begriff von „Kybernetik“ verfolgte damals jene Handvoll Münchner Bohemiens mit Draht zur Hamburger Kunsthochschule, und neben der Zeitschrift Mode und Verzweiflung taten sie das durch Musik: einen mal spröden, mal auch schmissigen Post-Punk, rumpelnd und fiepsend, gegen Hippies und Naturkitsch, betont anti-intellektuell und zugleich selbst reichlich belesen.

„Musik gegen Musik“ sei das gewesen, so legen es die Linernotes zur Wiederveröffentlichung des Debüt-Albums „Stürmer“ nahe, ebenfalls von 1981. Band-Mitgründer, Sänger und Multiinstrumentalist Thomas Meinecke äußerte unlängst, bei Facebook, er sehe es doch mehr als „Musik über Musik“. In der Tat hat kaum eine andere Band sich immer wieder so sehr der geradezu musikologischen Forschung verschrieben, dem Verfolgen von Spuren und Verbindungslinien.

Ziemlich genau zehn Jahre nach ihrer Gründung etwa vollzogen F.S.K., wie sie sich inzwischen nannten, die Wege deutscher und mitteleuropäischer Auswanderer und deren Musik nach bis nach Nordamerika, wo sie dann auch selbst auftraten und Platten aufnahmen. Der Neue-Deutsche-Welle-Sprödheit waren sie da entwachsen, jodelten und blechbliesen – dem Authentischen aber, der Rede von der Ursprünglichkeit misstrauten sie noch immer.

Sie saugten auf, was die elektronische Tanzmusik bis weit in den Mainstream getragen hatte: die Idee des Tracks, wo Song gewesen war, machten House, der keiner ist und doch so viel davon verstanden hat. „In der Popmusik ist es so, dass man sich in Zyklen bewegt“, sagte Meinecke 2008 – „spiralförmig ansteigend, mit ästhetischem bis politischem Zugewinn bei jeder Umdrehung“. Da war das zwölfte Album gerade raus, betitelt wie es bei anderen das Debüt wäre: „Freiwillige Selbstkontrolle“.

Auch musikalisch kehrte man damals zurück zum Song, zu den eigenen Mitteln der 80er-Jahre, ohne freilich etwas vergessen zu haben von dem, was man seither erlebt und gelernt hatte. Es folgten eine Werkschau auf drei CDs – die zweite nach einer Zusammenfassung des teils sehr raren Frühwerks –, und zuletzt das Album „Akt, eine Treppe hinabsteigend“, aufgenommen beim befreundeten Ted Gaier von den Goldenen Zitronen.

Wenn die einstige Lieblingsband des legendären Radio-DJs John Peel nun in Wolfsburg spielt, dann ist das weniger überraschend, weiß man, dass F.S.K.-Gitarrist Justin Hoffmann Direktor des dortigen Kunstvereins ist. Mindestens so schön aber ist es, sich vorzustellen, dass es wieder um eine Spurensuche gehen könnte: Dass es eine Band, die sich wie so wenige andere für die deutsche Geschichte und ihr Erbe interessiert, nicht durch Zufall in eine Stadt zieht, die ihrerseits wie wenige andere für die modernistisch-verheißungsvolle Seite der nationalsozialistischen Barbarei steht: die Stadt des Kraft-durch-Freude-Wagens.

Oder dass es schlicht damit zu tun hätte, dass frühere Generationen der Meineckes – ehe es sie nach Berlin, Kiel oder Hamburg zog – aus der Gegend kamen: aus „Königslutter, Helmstedt, Elm“, wie Meinecke 2005 schrieb. Da war er, seit Langem in einem oberbayerischen Dorf daheim, der erste „Netzautor“ – Niedersachsens.  ALDI

■ Sa, 6. 9., 20 Uhr, Hallenbad, Wolfsburg