PRESS-SCHLAG
: Demokratisch legitimierte Langeweile

FUSSBALL Mit der Aufstockung der EM-Teilnehmer wird die Quali zur Farce. Uefa-Chef Platini entgegnet, alle haben das so gewollt

Offene Entscheidungsprozesse sind eine verdammt heikle Angelegenheit

Franz Beckenbauer hat recht. Das kann schon einmal passieren, wenn man wie der Franz so nonchalant und überzeugt das Gegenteil von dem behaupten kann, was man vor nicht allzu langer Zeit ebenso überzeugt vorgetragen hat.

Recht hat der Franz also damit, dass die nun anstehende EM-Qualifikation eine Farce ist. Mit der Aufstockung der EM-Teilnehmer auf 24 Teams beim Turnier 2016 in Frankreich hat die Uefa jegliche Spannung aus dem Vorwettbewerb herausgenommen. Da könne man bei der EM gleich alle mitspielen lassen, bemerkte Beckenbauer. Wenn in zwei Jahren in Frankreich fast die Hälfte der 53 Uefa-Mitglieder vertreten sein werden, dann kann man in der Tat das Vorgeplänkel sein lassen.

Beckenbauer war es aber eben auch, der damals im Jahre 2008, als die Entscheidung zur Aufstockung heranreifte, aus dem Nähkästchen plauderte. Der damalige gut vernetzte Fifa-Funktionär wusste schon vor dem Beschluss: Die Aufstockung um acht Teams für die EM 2016 sei beschlossene Sache. Und er vergaß auch nicht, die anstehende Entscheidung lobend zu würdigen: „Es sprechen einige Gründe dafür. Die EM wird durch die Erweiterung nicht an Qualität verlieren.“ Nun ja, niemand würde es wundern, wenn der Franz alsbald wieder Gründe finden würde, die für eine aufgeblähte EM sprechen. Wer derart frei von Grundsätzen denkt, ist unberechenbar.

Nicht abzustreiten jedoch ist, wie sehr diese Reform den sportlichen Wert der Qualifikation gemindert hat. Weil die vielen Zwergstaaten wie Malta, Andorra, San Marino, Färöer, Luxemburg und die zahlreichen russischen Exrepubliken mitmischen, ist es für die kontinentalen Schwergewichte nahezu unmöglich, sich nicht zu qualifizieren. Selbst wenn das DFB-Team in den nächsten Monaten nur vor Gibraltar, Georgien und Polen, aber hinter Schottland und Irland landen sollte, könnte der Weltmeister sich noch als bester Gruppendritter für das EM-Turnier qualifizieren.

Uefa-Chef Michel Platini, der hinter der Reform steht, die ihm die treue Gefolgschaft der osteuropäischen Verbände einbringt, hat erst gar nicht versucht, Argumente gegen die einziehende Langweile ins Feld zu führen. Kritiker kanzelte er einfach damit ab, keiner sei gezwungen mitzumachen. Die Mehrheitsentscheidung für die Modusänderung sei ein Ergebnis der Demokratie.

Ein lustiger Einwand. Was wohl dabei herauskäme, wenn man in Deutschland die Zweit- und Drittligisten über eine Bundesligaerweiterung mit abstimmen ließe? Wenn man berechenbares Stimmvieh zur Wahl führen kann, wird gar ein jeder Sportfunktionär zum Apologeten von demokratischen Entscheidungsprozessen.

Grundsätzlich halten sie alle eher weniger davon. Platini hat am Wochenende noch einmal eifrig sein Engagement für Katar verteidigt. Der Franzose würde wohl alles Erdenkliche dagegen unternehmen, dass noch einmal über die umstrittene WM-Vergabe 2022 an Katar abgestimmt werden würde. Offene Entscheidungsprozesse sind eine verdammt heikle Angelegenheit. Franz Beckenbauer hat erst diese Woche zu bedenken gegeben, man müsse sich überlegen, ob man sich mit diesen Volksbefragungen für Olympische Spiele auf dem richtigen Weg befinde.JOHANNES KOPP