Wer die dicksten Muskeln hat

SANDALE IN 3-D „Hercules“ von Brett Ratner versucht sich an der Wiedergeburt eines alten Filmgenres

Zu „Hercules“ gehört ein Filmplakat, das wenig zu erraten aufgibt. Hätte man nur die Namen der beteiligten Schauspieler vor sich, könnte man sich jedoch auch einen ganz anderen Film vorstellen. Peter Mullan, John Hurt, Ian McShane – klingt das nicht nach einem Spätwerk von Ken Loach über im Alter verwahrloste Männer? Joseph Fiennes, Rufus Sewell und das norwegische Talent Aksel Hennie lassen an eine britische Miniserie über frisch geschiedene Bankräuber denken. Und Dwayne Johnson als Exsportler wäre durchaus zuzutrauen, dass er es Exfußballer Eric Cantona nachtäte und durch die Subkultur des europäischen High-Art/High-Trash-Kinos tingelte.

Aber wie gesagt, leider werden solche Fantasien durch einen Blick aufs Plakat augenblicklich in die Schranken gewiesen. Dwayne Johnson irrlichtert nicht in einer Nebenrolle, sondern zeigt als Titelfigur, wer die dicksten Muskeln hat. „Hercules“ im Graffiti-Style ziert seine Brust. Kein Zweifel: wir haben es hier mit der angeblichen Wiedergeburt des Sandalenfilms aus dem Geist der Graphic Novel zu tun. Und die geballte Schauspielpower wurde versammelt, um unter Brett Ratner („Rush Hour 1–3“) Hebammendienste zu leisten.

Immerhin verspricht der Autor der Vorlage, der in diesem Jahr verstorbene britische Comiczeichner Steve Moore, ein Drehbuch, das bewährte Genrerezepte mit nerdigem Interesse an der Antike auffrischt. So ist Hercules im Film kein Halbgott, sondern lediglich Krieger im antiken Thrakien, der sich den Mythos zunutze macht, um seine Gegner einzuschüchtern. Eigens dafür beschäftigt er eine Art PR-Agenten in seinem Tross: seinen Neffen (Reece Ritchie), der zu gegebenem Zeitpunkt von den Heldentaten des Hercules berichtet, als wäre er selbst dabei gewesen. Der übrige Tross setzt sich aus Gestalten mit anderen spezialisierten Fähigkeiten und ebensolchen Beschädigungen zusammen; es gibt den besten Freund (Rufus Sewell), den alten Haudegen (Ian McShane), die taffe Amazone (Ingrid Bolso Berdal) und das traumatisierte Findelkind (Aksel Hennie). Eine Aura von „Rächer der Enterbten“ glänzt um sie. Wie es das Schicksal solcher Geächteten im Kino nun mal will, müssen sie sich bei fremden Herren verdingen und auch „dreckige Jobs“ annehmen. Blutige Kämpfe, schmerzende Gewissenskonflikte und schockierende „Backstorys“ sind das Zeug, aus dem „Hercules“ gemacht ist.

So weit, so gut. Nun bot auch der alte Sandalenfilm nicht gerade Stoff für Dissertationen, weshalb es närrisch erscheint, von „Hercules“ mehr zu erwarten als das, was der Film bietet: optisch (3-D!) ansprechend in Szene gesetzte Unterhaltung, die Worte und Taten so verbindet, dass 10-Jährige mitlachen können. Auch in puncto Sex und Gewalt ist „Hercules“ merklich fürs jüngere Publikum angelegt: Ersteres spielt keine Rolle und bei Letzterem wurde das Blut entfärbt. Was nicht der einzige Grund ist, warum diese Wiedergeburt des Sandalenfilms eher wie dessen endgültige Zombifizierung wirkt. Vielleicht ist es aber einfach eine Altersfrage, ob man Dwayne Johnson nicht lieber mal in einem Film von David Cronenberg sähe. BARBARA SCHWEIZERHOF

■ „Hercules“. Regie: Brett Ratner. Mit Dwayne Johnson, John Hurt u. a. USA 2013, 98 Min.