: Wieder heftiger Zoff zwischen der Fatah und der Hamas
PALÄSTINA Einheitsregierung existiert nur auf dem Papier. In Wirklichkeit macht jeder, was er will
AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL
Die Flitterwochen zwischen der Fatah und der Hamas gehen ihrem Ende entgegen. Zurück im Alltag nach dem 50-tägigen Krieg im Gazastreifen gestaltet sich das Zusammengehen der beiden großen palästinensischen Fraktionen schwieriger als erhofft. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas drohte am Wochenende mit einer Aufkündigung der Einheitsregierung, sollte die Hamas nicht mehr Bereitschaft zeigen, von ihrer Macht im Gazastreifen abzulassen. „Auf diese Weise können wir nicht mit der Hamas arbeiten“, meinte er am Samstagabend in Kairo zu Beginn der dreitägigen Beratungen über seine neue Initiative für Friedensverhandlungen mit Israel. Anstelle der Einheitsregierung herrsche im Gazastreifen eine „Schattenregierung“ mit „27 Vizeministern“, zitiert ihn die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa. Die Hamas forderte umgekehrt, mehr in die politischen Entscheidungsprozesse in Ramallah einbezogen zu werden.
Zwar boykottiert Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die palästinensische Einheitsregierung und forderte wiederholt von Abbas ein Aufbrechen seiner Koalition mit den Islamisten, dennoch kann eine langfristige Befriedung im Gazastreifen nur funktionieren, wenn sich die Fatah und die Hamas einig sind. Israel und Ägypten fordern den erneuten Einsatz der Fatah-nahen Sicherheitstruppen, die schon bis zur gewaltsamen Machtergreifung der Hamas im Gazastreifen 2007 den Grenzbetrieb regelten, bevor sie einer Öffnung zustimmen wollen. Die Verhandlungen über einen dauerhaften Waffenstillstand sind für Ende des Monats geplant.
Für die Menschen im Gazastreifen sind rasche Erleichterungen an den Grenzübergängen lebenswichtig. Weit über 10.000 Wohnhäuser sind zerstört worden. Für den Wiederaufbau der Häuser und für die Reparatur der stark beschädigten Strom- und Wasserversorgung wird dringend Baumaterial benötigt. Nahrungsmittel und humanitäre Hilfsmittel kommen über den israelischen Grenzübergang Kerem Schalom in den Gazastreifen, und auch über den ägyptischen Grenzkontrollpunkt in Rafah durften einige Dutzend mit Hilfsgütern beladene Lkws passieren, bevor er wieder geschlossen wurde.
Zwischen den palästinensischen Fraktionen hatten im Verlauf der vergangenen Wochen intensivierte Kontakte auf höchster Ebene stattgefunden. Abbas war mit dem Chef des Hamas-Politbüros im Exil Khaled Maschal wiederholt persönlich zusammengekommen, um die Bedingungen für einen Waffenstillstand abzustimmen. Was die Kooperation von Hamas und Fatah erneut bremst, sind Informationen über ein geplantes Komplott der Hamas, die, nach Informationen des israelischen Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, ähnlich wie im Gazastreifen auch im Westjordanland die Macht an sich reißen wollte. Der Schin Bet stützte sich dabei auf Verhöre mit annähernd einhundert Hamas-Aktivisten. Abbas fühlte sich zudem von Maschal betrogen, als ein führender Funktionär der Islamisten zugab, dass die Hamas hinter der Entführung der drei israelischen Schüler gestanden habe. Die drei Jugendlichen waren Mitte Juni im Westjordanland entführt und wenig später tot aufgefunden worden. Abbas wirft der Hamas vor, sie habe mit dem dreifachen Mord, der Anstoß für die jüngste Gewaltwelle war, die nationale Einheitsregierung unterminieren wollen. Die Einheitsregierung ist offiziell seit Anfang Juni in Kraft. De facto lässt die Hamas von ihrer Macht nicht ab.
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