Bremens Kliniken weiter kopflos

Am Mittwochabend um 22 Uhr hatte Bremens Gesundheitssenatorin noch einen Holding-Chef für die vier kommunalen Bremer Kliniken. Gestern morgen hatte sich die Sache dann wieder erledigt

Von Klaus Wolschner

Seit fast einem Jahr ist die Klinik-Holding ohne Chef – gestern morgen um 8.30 Uhr sollte eigentlich „der Neue“ dem Aufsichtsrat der „Gesundheit Nord“ präsentiert werden. So hätte Gesundheitssenatorin Ingelore Rosenkötter (SPD) vor der Wahl den Vorwurf entkräften können, sie sei handlungsunfähig. Doch der Plan ging nicht auf. Eine halbe Stunde ließ sie das Gremium warten, um dann eine dürre Erklärung vorzulesen: Der umworbene Kandidat Joachim Stumpp habe morgens um sechs Uhr mitgeteilt, dass er weiteren Klärungsbedarf habe. Noch am Abend zuvor hatte Stumpp nach langen Gesprächen mit dem Klinik-Sonderbeauftragten Klaus Hilker zugesagt, am Morgen zum Aufsichtsrat zu kommen.

Der von der Senatorin engagierte Headhunter Willi Schoppen von der Agentur SpencerStuart überraschte den Aufsichtsrat mit der Information, Stumpp habe am Abend „Zahlenwerke“ studiert und nach der nächtlichen Lektüre das Insolvenzrisiko für die Kliniken als sehr hoch eingeschätzt. In seinem Büro in Waiblingen, wo Stumpp drei kleinere Kreiskrankenhäuser leitet, wurde er gestern Vormittag als „abwesend“ entschuldigt. Wenn jemand „wegen Bremen“ fragen sollte, so teilte die Sekretärin mit, dann solle sie nur sagen: „Da ist nichts dran.“ Die endgültige Bestätigung dessen, dass Stumpp den Job nicht antreten wird, lieferte Gesundheitssenatorin und Aufsichtsratvorsitzende Rosenkötter, als sie um elf Uhr mitteilte, dass die Suche von vorn beginnen müsse.

Der 40-jährige Stumpp hatte nach einer abgebrochenen Banklehre Medizin studiert, kurz auch als Assistenzarzt gearbeitet. 1996 wechselte er zum Unternehmensberater McKinsey, wo er als Projektleiter Unternehmenskonzepte im Gesundheitswesen entwickelte. 1999 wurde er Geschäftsführer des Eigenbetriebes Kreiskrankenhäuser, in dem die Kliniken Waiblingen, Schorndorf und Backnang mit insgesamt 2.000 Beschäftigten zusammengefasst sind. Damals setzte er sich übrigens gegen Jan Wiegels, den Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Bremen, durch. Obwohl es offenbar starke Vorbehalte gab – jedenfalls erwähnte der Waiblinger Chefarzt Georg Bindl bei der offiziellen Begrüßung des neuen Krankenhausdirektors, ihm gehe der Ruf voraus, gern „den starken Mann“ zu spielen. Der für Bremen tätige Headhunter hatte diese Seite des Stumpp-Images überprüft und sich versichern lassen, dass Stumpp „mittlerweile“ gelernt habe, mit den komplexen Interessengruppen im Krankenhausbereich pfleglich umzugehen.

Für Bremen ist er allerdings so oder so aus dem Rennen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Hartmut Perschau sieht die Senatorin Rosenkötter mit der Leitung des Ressorts überfordert und fordert Bürgermeister Jens Böhrnsen auf, „die Zukunft der kommunalen Klinika zur Chefsache zu machen“. Peter Erlanson, Betriebsrat Links der Weser – als solcher im Aufsichtsrat und gleichzeitig Spitzenkandidat der Linkspartei –, sieht in dem gesamten Bewerbungsverfahren „wahltaktischen Aktionismus der Gesundheitssenatorin“. Erst sollte über die Struktur der Kliniken entschieden werden, bevor man dafür einen Chef suche – es ist unklar, ob der die vier Kliniken oder nur die Holding leiten soll. Auch Doris Hoch, für die Grünen im Aufsichtsrat, meinte, erst müsse die zukünftige Struktur der Holding geklärt werden, bevor dafür dann eine Leitung gesucht werden könne.