piwik no script img

Archiv-Artikel

Zwischenstation Anonymität

Frauenhäuser gewähren Starthilfe in ein neues Leben, auch wenn der Bruch mit dem alten nicht leichtfällt. Momentaufnahmen einer Hausgemeinschaft

Das gemeinsame Projekt der Fotografin Betty Pabst, geboren 1976, und der Autorin Eva Keller, Jahrgang 1972, erzählt von einem Ort, der vielen unbekannt ist und von dem nur wenig nach außen dringt: dem Frauenhaus. Entsprechend ungenaue oder gar falsche Vorstellungen prägen das Bild von Frauenhäusern und ihren Bewohnerinnen. Keller und Pabst besuchten sechs Monate lang Frauen und Kinder in einem Frauenhaus in einem Dorf nahe Frankfurt am Main. Das Ergebnis veröffentlichten sie im Selbstverlag als Buch in einer Kleinstauflage.

Eigentlich darf niemand Fremdes ins Frauenhaus hinein. Männer sowieso nicht. Die Adresse ist geheim. Auch die Dorfbewohner sollen möglichst schweigen. Zum Schutz der Frauen. Obwohl die Neugier, das Haus von innen zu sehen, groß ist, verhalten sich die Dorfbewohner vorbildlich. Fragt ein Fremder nach dem Frauenhaus, bekommt er zur Antwort: „Keine Ahnung, so was gibt es hier nicht.“

Im Dorfgeflecht selbst wird die Abschottung bisweilen als befremdlich wahrgenommen. Die Dorfschullehrerin kann die extreme Verschlossenheit nicht nachvollziehen, und die Schulkinder können nicht verstehen, warum die Kinder aus dem Frauenhaus ihre Freunde nicht zu sich nach Hause einladen dürfen. Die Lehrerin wünscht sich oft mehr Informationen zur Vorgeschichte der Kinder. Die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses bleiben aber konsequent: An oberster Stelle stehe der Schutz der Frauen.

Die Sozialarbeiterinnen unterstützen die Frauen, aber sie halten sich auch zurück. Die Frauen sollen ihr Leben in die eigenen Hände nehmen. Die Wohngemeinschaft im Frauenhaus ist ein wichtiges Erlebnis für die Frauen, trotzdem bleibt es eine Zweck-WG, die Probleme birgt. Jede Frau hat ihre eigene traurige Vergangenheit. Alle befinden sich in einer Übergangsphase zwischen der Loslösung von ihrem Mann und der Wiedererlangung der Selbstständigkeit. Bis zu fünfzehn Monate lang haben sie Zeit, um in ein unabhängiges Leben zu starten. So steht es im Mietvertrag. Rausgeschmissen wird danach aber keine, denn die Wohnungssuche ist nicht einfach. POUYEH ANSARI