piwik no script img

Archiv-Artikel

Kiezrandale überrascht Polizei

Im Anschluss an ein Straßenfest in der Rigaer Straße in Friedrichshain zünden 200 Randalierer Barrikaden und Autos an. Polizei scheint überfordert und beruhigt die Lage erst nach zwei Stunden

VON RICHARD ROTHER

Einen Monat vor dem 1. Mai und zwei Monate vor den Protesten zum G-8-Gipfel in Heiligendamm meldet sich die militante linke Szene zu Wort. Im Anschluss an ein Straßenfest in der Rigaer Straße in Friedrichshain gingen in der Nacht auf Samstag Barrikaden im nördlichen Friedrichshain in Flammen auf; ein Auto brannte komplett aus, weitere wurden beschädigt. An der Randale, die die Polizei erst nach zwei Stunden unter Kontrolle brachte, beteiligten sich rund 200 Personen; zwei Randalierer wurden festgenommen.

Mit dem Straßenfest, mit Demonstrationen und Infoveranstaltungen wollten Bewohner und Projekte in ehemals besetzen Häusern auf ihre zum Teil ungesicherte Zukunft aufmerksam machen. So droht dem Eckhaus Liebigstraße 34, wo eine Bar mit Hausbesetzerflair seit mehr als 15 Jahren ihr Domizil hat, die Zwangsversteigerung.

Zudem wendet sich die linke Szene gegen die Verteuerung von Wohnungs- und Gewerbemieten, die sie durch die zunehmende Zahl von Bars und schicken Kneipen mitverursacht sieht. Dagegen setzen die Linken – die allerdings als Kunden, Beschäftigte oder auch Besitzer solcher Bars vom Friedrichshainer Kneipenaufschwung durchaus profitieren – auf den Erhalt von nichtkommerziell genutzten Immobilien, sei es als Wohn- oder Veranstaltungsräume.

Mit der Randale, die in der Szene weniger mit G 8, sondern vielmehr mit den Protesten wegen die Räumung eines Hauses in Kopenhagen in Verbindung gebracht wird, haben die Gewalttäter die Polizei offenbar auf dem falschen Fuß erwischt. „Alle waren verwundert, dass die Polizei so lange gebraucht hat, um einzugreifen“, so ein Anwohner.

Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch lobte hingegen, dass sich das Einsatzkonzept der Polizei bewährt habe. Die Beamten hätten die Lage so schnell unter Kontrolle gehabt, dass sie „Schlimmeres verhüten konnte“. Wer Wiederholungen solcher Vorfälle plane, müsse damit rechnen, dass die Polizei auch dann präsent sei und konsequent einschreite, wenn sie – wie in diesem Fall – zuvor keine Hinweise auf geplante Gewaltaktionen habe.

Gegen die Randalierer wurden zahlreiche Platzverweise ausgesprochen. Ein 30-Jähriger, der eine Flasche nach einem Polizisten geworfen hatte, wurde festgenommen. Wegen Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte wurde ein 23-Jähriger in Gewahrsam genommen.

In der linken Szene fand die Randaleaktion ein geteiltes Echo. Die einen halten brennende Barrikaden und Autos für kontraproduktiv, weil man sich damit sämtliche Sympathien mit den Kiezbewohnern verscherzt. Das seien schließlich Menschen, die man eigentlich für den Kampf gegen Verdrängung gewinnen wolle – so jedenfalls argumentiert ein Flugblatt, das die Exhausbesetzer an ihre Nachbarn verteilten.

Andere wiederum begrüßen solche Randaleaktionen: „Das Signal ist doch: Wenn Ihr Stress mit unseren Häusern macht, machen wir euch Stress auf der Straße“, hieß es. Mit Ruhe in der Rigaer Straße in Friedrichshain ist also nicht zu rechnen.