Future Fluxus und Dadajugend Polyform – Bandnamen so irreführend wie in Bonbonpapier eingewickelte Gummibärchen

Den gemeinen Popmusikanten befällt bisweilen ein Minderwertigkeitskomplex gegenüber anderen Kunstformen. Dann meint sich der Musikant nicht ernst genug genommen, fühlt sich nicht als Künstler, sondern nur als profaner Unterhalter. Dieses blöde Gefühl kontert der Musikant dann mit einer der folgenden Maßnahmen: Einer aufwendigen Lightshow, übertrieben bunten Kostümen, herumturnenden Halbnackten oder, wenn gar nichts mehr hilft, Progressive Rock, kurz Prog genannt. Future Fluxus und die Dadajugend Polyform tragen diesen Willen zur Kunst schon im Namen spazieren. Future Fluxus bekräftigen ihn noch zusätzlich, indem sie ihr Album „Fuck The Universe And Say Yeah!“ in einer limitierten Erstauflage mit einem „Endlos-Origami-Cover-ART-work, handgefaltet und geklebt“ herausbringen. Dazu hat sich die Band ins Zeug gelegt und „16.000-mal geknickt und 20.000 den Prittstift geschwungen“. Ganz nebenbei hat sie übrigens auch Musik eingespielt, ein paar wirklich fiese Rhythmuswechsel komponiert, die Gitarren geprügelt, ab und an herzhaft rumgebrüllt und dann wieder lustig vor sich hingegniedelt. Prägende Figur hinter Future Fluxes ist Thomas Kastning, vormals bei Kate Mosh. Die gingen in die Geschichte des deutschen Indie-Rock als leidenschaftlichste aller Dinosaur-Jr-Epigonen ein. Für seine neue Band rekrutierte Kastning aber Hannes Kaschel von Ter Haar und Andreas Rogge von Robotron, womit er eine experimentellere Richtung vorgab. Die Gitarren sind lange nicht mehr so episch wie bei Kate Mosh, das Songwriting dafür aber wesentlich komplexer. Dabei verlaufen sich Future Fluxes zwar nicht unbedingt in den eigenen, labyrinthisch angelegten Liedern, aber sie genießen es doch bisweilen sehr, ziellos vor sich hin zu daddeln. Was dieser kunstvoll konstruierte, trotzdem mit lockerer Hand eingespielte Art-Rock allerdings mit der Kunstrichtung Fluxus zu tun hat, bleibt eher verschlossen.

Ein Bezug, der auch bei der Dadajugend Polyform nicht eben einfach herzustellen ist. Spielt das Quartett auf seinem Debütalbum „Louis de Marsalle“ doch einen recht eingängigen Synthie-Pop, der sich zwar auf die aktuell gerade unvermeidlichen Achtziger bezieht, vor allem auf New Wave oder Glam Rock, sich aber immer wieder auch beim etwas heftigeren Industrial bedient, anstatt nur den modisch schrillen Popentwürfen von damals hinterherzulaufen. Damit zielt die Band, die im fränkischen Kulmbach zusammenfand und mittlerweile verteilt auf München, Nürnberg und Berlin lebt, ziemlich unverhohlen auf die Schnittmenge zwischen Charts und Dancefloor. Die zwar derben, aber jederzeit abgezirkelten Beats bollern überzeugend, während manche Melodie das Zeug dazu hat, dauerhaft in Gehörgänge zu kriechen. Mit Dada allerdings hat das ganz und gar nichts zu tun, die Bezugnahme auf die bildende Kunst geht auch hier kaum über bloßes Namedropping hinaus. So, wie sich der Albumtitel auf den Maler Ernst Ludwig Kirchner bezieht: „Louis de Marsalle“ war das Pseudonym des Expressionisten. THOMAS WINKLER

■  Future Fluxus: „Fuck The Universe And Say Yeah!“ (Noisolution/Indigo), live: 30. 4. im Kuze, Potsdam

■  DadaJugend Polyform: „Louis de Marsalle“ (ADP/Alive!), live am 17. 6. im White Trash