: Mit dem Hund gegen das Vergessen
THERAPIE- UND BESUCHSHUNDE Menschen mit Demenz verlieren den Anschluss an die Gegenwart. Doch Hündin Bani schafft es, sie für eine Weile aus der Isolation zu holen. Ein Besuch im Seniorenheim
VON LENA KAISER
„Wo ist unsere Bani?“, fragt Frau K., als Angela Harms mit ihrem Hund die Terrasse des Seniorenheims betritt. „Die kommt gleich“, sagt Harms. Sie ist es gewohnt, dass sich alles um die vierjährige Golden Retriever-Hündin dreht, wenn sie das Senator-Ernst-Weiß-Haus der Hamburger Blindenstiftung in Tonndorf besucht. Die Hundetherapeutin kommt drei Mal in der Woche für sechs Stunden als ehrenamtliche Alltagsbegleiterin ins Seniorenheim. Und Frau K. hat Bani besonders ins Herz geschlossen.
Die 88-Jährige leidet an Demenz im fortgeschrittenen Stadium. „Diese Menschen leben in ihrer eigenen Welt und finden häufig keinen Anschluss mehr“, sagt Harms. „Aber Tiere können helfen, dass sie leichter zugänglich werden und sich auch wieder nach außen öffnen.“ Denn Bani stelle eine Gemeinsamkeit zwischen den Menschen her, die sonst nichts miteinander teilen. Außerdem schaffe es die Hündin, die Aggressivität der dementen Bewohner zu mindern. „Weil sich die Menschen wertgeschätzt fühlen“, erklärt Hundetherapeutin Harms. „Oder einfach aus Tierliebe.“
Für Frau K. ist der Weg aus der Isolation in die Gegenwart im Moment vor allem Banis Trächtigkeit. In den nächsten Tagen wird die Hündin acht Welpen bekommen. „Wie viele Babys bekommt Bani und wie läuft eine Hundeentbindung eigentlich ab?“, fragt Frau K. und erinnert sich an ihre Schwangerschaft.
Dass sich Kleintiere positiv auf das Orientierungsvermögen und die Gedächtnisleistungen von älteren Menschen auch mit Demenzerkrankung auswirken, das allgemeine Wohlbefinden verbessern und das Pflegepersonal entlasten können, zeigten Bremer Forscher bereits vor fünf Jahren in einer Studie. Bei dem Forschungsprojekt wurde die Wirkung von Tierbesuchen auf Senioren erstmals wissenschaftlich belegt. Begleitet wurde die Studie von Stefan Görres vom Bremer Institut für angewandte Pflegeforschung. „Bereits in dieser Pilotstudie konnten wir erstaunliche Ergebnisse beobachten und haben eine gute Grundlage geschaffen, um weitere Studien zur Behandlung und Pflege von Demenzerkrankten auf den Weg zu bringen“, sagt Görres. Er ist überzeugt, dass Tieren in diesem Bereich künftig eine größere Bedeutung zukommen wird, nicht zuletzt weil die Zahl der Demenzerkrankungen in Deutschland stetig steigt.
An diesem sonnigen Nachmittag auf der Terrasse motiviert Bani die Bewohner dazu, Wurst in Scheiben zu schneiden. Was den dementen Bewohnern beim Abendessen häufig sehr schwer fällt, gelingt mit der Hündin an ihrer Seite fast problemlos. Geduldig sitzt Bani neben Frau K. und wartet auf ihr Stückchen Wurst. Keine Seltenheit, dass es der Hund schafft, den Bewohnern Handgriffe abzuverlangen, die sie sonst nicht mehr bewerkstelligen.
Aber nicht nur Hunde, sondern auch Katzen, Vögel, Fische und Nagetiere steigern die Lebensfreude, stabilisieren das Immunsystem, verbessern die Stressbewältigung und lindern psychische und psychosomatische Erkrankungen. Und wenn Menschen mit Demenz keine eigenen Tiere mehr halten können, sind Besuchshunde wie Bani die geeignete Alternative, um als Mittler und Türöffner der Isolation entgegenzuwirken.
Bis Bani mit ihren Welpen wieder ins Altenheim kommt, werden nun einige Wochen vergehen. Bei der Abschlussrunde gibt es noch einmal die Gelegenheit, sich von der trächtigen Besuchshündin zu verabschieden. Frau K. schneidet ein Würstchen klein. Geduldig wartet Bani ab, bis sie fertig ist. Dann frisst sie vorsichtig Stück für Stück aus der Hand der zufriedenen 88-Jährigen. „Bani, du bist doch mein Liebling.“
Informationen zu Besuchs- und Therapiehunden gibt es unter www.therapiehunde-hamburg.de